Der dunkle Schirm
Sie sitzen mir immer
bei Tisch gegenüber – Sie sind’s doch, Pete?«
»Bin ich der Typ«, sagte er, »der immer dasitzt und Ihre Beine mustert und eine Menge über Sie-wissen-schon-was nachgrübelt?«
Sie nickte.
»Habe ich eine Chance?« sagte er.
»Nun, kommt ganz drauf an.«
»Darf ich Sie demnächst mal abends zum Essen einla-
den?«
»Vielleicht.«
»Kann ich Ihre Telefonnummer haben? Damit ich Sie
anrufen kann?«
Das Mädchen murmelte: »Geben Sie mir lieber Ihre.«
»Ich werde Sie Ihnen geben«, sagte er, »wenn Sie sich jetzt zu mir hersetzen und mit mir essen. Was immer Sie haben möchten.«
»Nein, da drüben sitzt eine Freundin von mir – sie
wartet auf mich.«
»Dann könnte ich mich doch zu Ihnen setzen, zu Ihnen beiden.«
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»Wir wollen was Persönliches besprechen.«
»Okay«, sagte er.
»Tja, dann bis demnächst mal, Pete.« Sie ließ ihn stehen und trat mit ihrem Tablett, auf dem Besteck und eine Serviette lagen, zur Essensausgabe.
Er holte sich einen Kaffee und ein Sandwich, suchte sich einen freien Tisch und setzte sich alleine hin. Ließ kleine Brocken von dem Sandwich in den Kaffee fallen.
Starrte darauf.
Sie werden mich von Arctor abziehen, entschied er.
Verdammte Scheiße. Ich werde in Syanon oder im Neuen Pfad oder in einem anderen dieser Heime sitzen und auf Entzug sein, und sie werden jemand anders damit beauf-tragen, ihn zu beobachten und die Erkenntnisse über ihn auszuwerten. Irgendein Arschloch, das einen Scheiß-
dreck über Arctor weiß. Sie werden noch einmal ganz von vorne anfangen müssen.
Wenigstens können sie mich Barris’ Beweise begut-
achten lassen, dachte er. Mich erst in den zeitweiligen Ruhestand versetzen, nachdem wir das Zeug durchgecheckt haben, was immer es auch ist.
Wenn ich sie wirklich mal bumsen würde, und wie
würde schwanger, grübelte er. Die Babys – keine Gesichter. Nur vage Flecken. Er schauderte.
Ich weiß, daß man mir den Fall entziehen muß. Aber
warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Wenn ich nur noch ein paar Dinge tun könnte … Barris’ Informationen bearbeiten, an der Entscheidung teilhaben. Oder einfach nur dasitzen und sehen, was er vorlegt. Um meines eigenen Seelenfriedens willen endlich herausfinden, in was 372
Arctor eigentlich verwickelt ist. Ist er überhaupt in etwas verwickelt? Oder etwa doch nicht?
Sie sind es mir schuldig, mir zu gestatten, lange genug dabeizubleiben, um das herauszufinden.
Wenn ich bloß einfach nur zuhören und zuschauen
könnte, sogar ohne etwas zu sagen.
Er saß da und starrte vor sich hin, und irgendwann
später bemerkte er, daß das Mädchen in dem engen blauen Sweater und ihre Freundin, die kurze, schwarze Haare hatte, von ihrem Tisch aufstanden und sich anschickten, hinauszugehen. Die Freundin, die nicht besonders scharf aussah, zögerte plötzlich und kam dann auf den Tisch zu, an dem Fred vornübergebeugt vor seinem Kaffee und den Überresten des Sandwichs saß.
»Pete?« sagte das Mädchen mit den kurzen Haaren.
Er schaute auf.
»Äh, Pete«, sagte sie nervös. »Ich habe nur einen winzigen Augenblick Zeit. Äh, wollte es Ihnen eigentlich selbst sagen, aber dann hatte sie doch nicht die Traute.
Pete, sie wäre schon längst mit Ihnen ausgegangen, vielleicht schon vor einem Monat oder so, vielleicht sogar schon im März. Wenn –«
»Wenn was?« sagte er.
»Nun, sie hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, daß sie Ihnen schon seit einiger Zeit den Tip geben wollte, daß Sie viel mehr Erfolg hätten, wenn Sie eines dieser Mittel benutzen würden … sagen wir, Odol.«
»Ich wünschte, ich hätte das früher gewußt«, sagte er ohne Begeisterung.
»Okay, Pete«, sagte das Mädchen und wandte sich
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sichtlich erleichtert zum Gehen. »Bis später mal.« Grinsend eilte sie davon.
Der arme Teufel, dachte er bei sich selbst. War das nun wirklich gut gemeint? Oder einfach nur eine Verarscherei, um Pete endgültig durcheinanderzubringen? Ausgekocht von zwei gehässigen Weibsbildern, als sie sahen, wie er –
ich – hier so alleine saß. Einfach nur ein mieser kleiner Sei-tenhieb, um – Ach, zur Hölle damit, dachte er.
Oder es könnte auch wahr sein, entschied er, während er sich den Mund abwischte, seine Serviette zerknüllte und sich steif erhob. Ich möchte zu gerne wissen, ob der heilige Paulus Mundgeruch hatte. Er schlenderte aus der Cafeteria, die Hände wieder in den Taschen vergraben. In den Taschen des Jedermann-Anzugs und dann auch in
den richtigen
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