Der dunkle Spiegel
Solch schneidige Herrchen wie die dort etwa?«
Drei aufgeputzte Männer schlenderten der Begine und ihrer Begleiterin entgegen. Sie sahen nicht aus, als ob sie den Sonntag in stiller Kontemplation verbringen wollten. Stattdessen lauschten sie der deftigen Geschichte, die einer von ihnen zum Besten gab. Grölendes Gelächter belohnte seine Erzählung. Alle drei waren sie in farbenprächtige kurze Wämser gekleidet, und selbstredend trugen sie unterschiedlich gefärbte Strümpfe an den Beinen. Ihr Schuhwerk zierten beinahe zwei Handbreit lange Spitzen, die der Wortführer der Gruppe wohl auf Grund praktischer Erfahrung mit seidenen Bändchen hochgebunden hatte.
»Aber da seht mal, was uns dieser schöne Tag beschert!«
»Zwei junge Weibsleut!«
»Zwei knusprige, na ja, eine davon…«
»Tilmann, was hast du von den lustigen Nonnen erzählt? Wollen wir nicht mal prüfen, ob diese grauen Schwestern uns genauso viel Spaß bereiten?«
Almut sah sich nach Hilfe um. Außer zwei mageren Ziegen und einer aufflatternden Schar Hennen war kein Lebewesen in der Gasse zu sehen. Und ob sie durch laute Hilferufe mehr als nur eine Anzahl Gaffer herauslocken würde, war auch ungewiss. Trine an ihrer Seite ergriff ihre Hand und drückte sie fest. Dann ließ sie los und versteckte die Hand in ihrem losen Kittel. Die jungen Männer kamen näher, und der, den sie Tilmann genannt hatten, versuchte, Almut den Arm um die Hüfte zu legen und sie an sich zu ziehen. Es gelang ihm noch nicht einmal im Ansatz, denn schon hatte die Begine ausgeholt und ihm eine Ohrfeige verpasst, die davon zeugte, dass sie nicht nur zarte Stickereien anzufertigen verstand. Benommen taumelte er zurück; gleichzeitig ertönte der schrille Schmerzensschrei eines Zweiten, der Bekanntschaft mit einer langen Kupfernadel gemacht hatte, die Trine in ihrer Zeit als herumgestoßenes Gassenkind wirkungsvoll einzusetzen gelernt hatte. Dem dritten, der einen zügigen Schritt auf das Mädchen zu machen wollte, trat Almut mit ganzer Kraft auf den Fuß. Sie verfehlte zwar die Zehen, aber die Schuhspitze hatte sie getroffen. Ihr Besitzer stolperte, sie trat zur Seite, und er fiel lang ausgestreckt in den feuchten Straßenkot.
»Los, Trine, lauf!«
Sie schubste das Mädchen in den Rücken. Beide rafften sie die Röcke und liefen los. Sie konnten ziemlich sicher sein, einen guten Vorsprung herauszuholen, denn das unpraktische Schuhwerk ihrer Widersacher hinderte diese wirkungsvoller als alles andere, die Verfolgung aufzunehmen. Im Gewirr der Gassen und Gässchen um den Heumarkt hielten sie dann auch in ihrem Lauf ein und gingen wie gesittete Damen weiter.
»Gut gemacht, Trine!«, sagte Almut und klopfte ihr anerkennend auf die magere Schulter.
Trine grinste, zeigte auf Almuts Schleier und machte eine streichende Geste. Almut blieb stehen und tastete nach ihrem Gebände. Natürlich, es war verrutscht. Etwas ungeschickt versuchte sie, es wieder zu richten.
»So ein kleiner Silberspiegel, wie der, den die schöne Dietke hatte, der wäre jetzt sehr nützlich«, bemerkte sie seufzend. Trine verstand sie zwar nicht, half ihr aber, den grauen Schleier wieder ordentlich über das steifleinene Stirnband zu ziehen.
Bis zum Alter Markt kamen sie zügig voran, dann aber begann Trine, die nur selten die Gelegenheit hatte, die Abgeschlossenheit des Konventes zu verlassen, ihre Schritte zu verlangsamen und neugierig das Treiben zu beobachten. Almut hatte zwar Hunger, und ihr war auch ziemlich warm geworden, aber sie konnte das Mädchen verstehen. In ihrer stummen und lautlosen Welt war sie vor allem auf das Schauen angewiesen. Und hier auf dem Marktplatz gab es viel zu sehen. Auf dem Kax, dem Schandpfahl, stand ein Wirt, der zum wiederholten Male angeklagt worden war, verdorbenes Essen verkauft zu haben. Ein Haufen matschiger Gemüsereste, stinkender Fischköpfe und verschimmelter Brotkanten zu seinen Füßen zeugte davon, dass sich die Kundschaft ausgiebig an ihm gerächt hatte. Gerade warf eine aufgebrachte Frau mit einem verfaulten Kohlstrunk nach ihm, begleitet von ein paar passenden Schmähworten. Drei Stunden nur hatte der Wirt dort zuzubringen, aber man sah ihm an, dass es die längsten Stunden seines Lebens werden würden. Noch mehr Aufmerksamkeit aber als der arme Mann am Pranger erregte ein Wagen, der in der Mitte des Platzes stand. Almut konnte lesen und entzifferte das, was auf der großen aufgespannten Leinwand bekannt gegeben wurde. Hier zeigte ein hochberühmter Meister
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