Der dunkle Thron
heilige Messe feiern. Wie lange brauchen wir, um die Wiedereinführung auf sichere rechtliche Füße zu stellen und durchzuführen?«
»Weihnachten ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, Majestät«, antwortete der Earl of Shrewsbury. »Vor Eurer Krönung im Oktober können wir ein Thema mit so viel Sprengkraft nicht angehen. Nach der Krönung versammelt sich das Parlament, und erst dort können wir ein entsprechendes Gesetz …«
Mary brachte ihn mit einem desinteressierten Wedeln zum Schweigen. »Ein ehrgeiziges Ziel, Mylord? Dann trifft es sich gut, dass ich eine ehrgeizige Frau bin. Vor allem in Glaubensfragen. Apropos Glaubensfragen. Ich wünsche, dass Kardinal Reginald Pole nach Hause kommt und uns bei der Rückkehr zum wahren Glauben mit Rat und Tat zur Seite steht.«
»Reginald Pole?«, wiederholte einer der jüngeren Lords, dem der Name nichts sagte.
Mary klärte ihn auf: »Er ist der Sohn der einstigen Countess of Salisbury, Lady Margaret Pole, die meine Patin und Vertraute und eine sehr standhafte, fromme Frau war. Standhaft und fromm ist auch ihr Sohn, der Kardinal. Er hat all die Jahre, da die Ketzer über England geherrscht haben, im Exil verbracht. Aber jetzt wird er hier gebraucht. Also seid so gut und schreibt ihm, Gardiner.«
Der Bischof willigte ein. Falls er gehofft hatte, das geistliche Oberhaupt von Marys Gegenreformation zu werden und sich nun in dieser Position bedroht fühlte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
»Und … Erzbischof Cranmer?«, fragte er. »Was soll mit ihm geschehen, Hoheit?«
»Das liegt auf der Hand, oder?«, sagte eine laute Stimme von der Tür. »Cranmer muss brennen.«
Nick spürte ein warnendes Kribbeln im Nacken. Unwillig, eigentümlich langsam wandte er den Kopf, so als wolle er es nicht sehen. Aber sein Gehör hatte ihn nicht getrogen. Es war Edmund Bonner, der einstige Bischof von London, der die vergangenen Jahre während des protestantischen Regimes unter König Edward im Gefängnis verbracht hatte.
»Und das Holz machen wir schön nass«, fügte der hagere, unscheinbare Mann mit den farblosen Augen hinzu, der an Bonners Seite war. »Dann hat der Erzbischof umso länger etwas von seiner wohlverdienten Hinrichtung.«
Es war Sir Richard Rich. Er bedachte Nick mit einem verstohlenen Hohnlächeln, ehe er vor Mary niederkniete. »Vergebt unsere Verspätung, Hoheit. Ein wilder Waliser und ein verrückter Pirat standen unten und wollten uns den Zutritt verwehren. Waringhams Cousins, wenn ich recht informiert bin?«
Mary ließ den Blick einen Moment auf ihm ruhen, die Lider halb gesenkt. »Sir Richard. Exzellenz. Nehmt Platz und seid willkommen in meinem Kronrat. Aber seid ebenso gewarnt. Für Brandstifter ist hier kein Platz.«
»Vergib mir, Nick«, sagte die Königin seufzend, als sie zwei Stunden später allein an dem großen Tisch in der Halle saßen. »Ich habe in all dem Trubel keine Gelegenheit gefunden, dich vorzuwarnen. Aber ich kann verstehen, dass du konsterniert bist.«
Er winkte ab und bedeutete einer ihrer Damen, neuen Wein zu bringen. Das junge Mädchen eilte mit einer edlen Kristallkaraffe herbei, stellte sie auf den Tisch, knickste vor der Königin und zog sich ans andere Ende des Saals zurück, wo sie mit zweien ihrer Gefährtinnen auf dem breiten Fenstersitz saß, stickte und sich bereithielt, Marys Wünsche zu erfüllen.
»Es geht nicht darum, ob ich konsterniert bin, Hoheit«, erwiderte er, schenkte ein Glas ein und schob es ihr hin. »Hier. Trink das. Du bist blass.«
»Danke, ich will nichts.«
»Tu’s trotzdem.«
»Was fällt dir ein, so mit mir zu reden?«, protestierte sie matt.
Nick hob kurz die Schultern. »Es sind nur noch vier Wochen bis zu deiner Krönung. Danach werde ich nie wieder so mit dir reden können. So als wärst du meine Schwester. Ich weiß, es wird mir fehlen.«
»Ja. Mir auch.«
»Also gönn es uns wenigstens heute noch einmal.«
»Meinetwegen.«
»Dann trink.«
Folgsam hob sie das Glas an die Lippen und nahm ein winziges Schlückchen. »Ich brauche Bonner auf meiner Seite«, erklärte sie. Es klang trotzig, aber ihr Blick suchte sein Verständnis. »Ohne den Bischof von London kann ich England nicht bekehren.«
»Aber Richard Rich?«, wandte er verständnislos ein.
»Ja, ich weiß, du hast ihn in schlechter Erinnerung …«
»Ich?«, unterbrach er fassungslos. »Was ist mit dir? Als Lord Chancellor deines Bruders hat er alles getan, um dich dem König zu entfremden und Zwietracht zwischen euch zu
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