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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ihr. Wie er kaum anders erwartet hatte, entdeckte Nick seine Tochter genau in der Mitte. Mit Millicent an ihrer Seite hatte er indessen nicht gerechnet, auch nicht dass Francis einer der fünf Gentlemen sein würde, die die Prinzessin und ihr Gefolge sicher hierher geleitet hatten. Nick hätte seinen Sohn in diesem Moment vielleicht lieber an seiner Seite gehabt, aber er war so dankbar, ihn heil und gesund zu sehen, dass alles andere ihm völlig gleichgültig erschien. Mit feierlicher, geradezu strenger Miene blickte der Earl of Waringham auf seinen Erben hinab und zwinkerte ihm dann zu.
    Francis presste die Lippen zusammen und senkte den Kopf noch tiefer, damit niemand sein unpassendes Grinsen sah.
    »Majestät, ich bin heute zu Euch gekommen, um Euch meiner untertänigen Treue und schwesterlichen Liebe zu versichern«, sagte Elizabeth und blickte auf, um Mary ins Gesicht zu sehen.
    Die Königin schaute einen Moment auf sie hinab. Dann wandte sie sich an Nick. »Mylord …«
    Er glitt aus dem Sattel, trat zu ihr und streckte ihr die Rechte entgegen, um ihr beim Absitzen behilflich zu sein. Mary ging gemessenen Schrittes zu Elizabeth, beugte sich vor, nahm sie bei den Schultern und hob sie auf. »Hab Dank, liebste Schwester. Es ist mir eine große Freude, dass du dich eigens herbemüht hast.«
    Sie sagte es mit aufrichtiger Wärme, aber Nick sah das spöttische Funkeln in ihren Augen, und er war sicher, Elizabeth sah es auch. Dennoch erwiderte die junge Prinzessin die Umarmung ihrer Schwester.
    Die Leute von Wanstead brachen in erneuten Jubel aus, manch einer wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Vermutlich würden sie noch ihren Enkeln davon erzählen, dass sie Zeugen dieser Wiedervereinigung der entfremdeten Schwestern geworden waren.
    Nachdem Mary auch der Entourage ihrer Schwester mit einer Geste gestattet hatte, sich zu erheben und der feierliche Moment vorüber war, trat Nick zu seinem Sohn.
    »Vater!« Mit einem schuldbewussten, untypisch scheuen Lächeln verneigte der Junge sich vor ihm. »Es tut mir so leid, Sir. Wir wollten nur zu Norfolk, verstehst du, um uns zu bedanken, aber vermutlich war es ein bisschen unklug, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt nach London … und dann auch noch in den Tower … Ich meine … ich bin einfach nicht auf die Idee gekommen, dass Northumberland …«
    Nick konnte nicht länger ernst bleiben. Lachend schloss er Francis in die Arme, ließ ihn wieder los und legte ihm dann die Hände auf die Schultern. »Kein Waringham war je mit einem törichteren Sohn geschlagen als ich. Aber Gott weiß, ich wollte mit keinem von ihnen tauschen.«
    Francis’ Wangen röteten sich. »Danke für diese schöne Lüge …«, murmelte er verlegen.
    Aber sein Vater schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Es ist die reine Wahrheit. Deine Arglosigkeit kann einen ein Dutzend Mal am Tag an den Rand der Verzweiflung treiben, aber ebenso oft kann sie einem den Glauben an die Menschheit zurückgeben«, erklärte er leise. »Ganz besonders in Anbetracht einer politischen Farce wie der, die hier gerade für Lords und Volk zum Besten gegeben wird, mit Mary und Elizabeth Tudor in den Hauptrollen …«
    »Mylord!«, flüsterte Francis, ebenso erschrocken wie vorwurfsvoll. »Ich würde jeden Eid schwören, dass Elizabeth in aller Aufrichtigkeit zu ihrer Schwester gekommen ist.«
    Nick unterdrückte ein Seufzen. »Ja, ich wette, das würdest du …« Dann ging er zu seiner Tochter, die ein paar Schritte zur Seite getreten war und die beiden Schwestern nicht aus den Augen ließ. »Nun, Eleanor? Ich sehe, du machst dir wie üblich weniger Illusionen als dein Bruder.«
    Sie begrüßte ihn mit dem unwilligen, etwas nachlässigen Knicks, den sie vermutlich eigens zu dem Zweck einstudiert hatte, ihren Vater zu kränken, und antwortete leichthin: »Es wird besser gehen mit den beiden, als du annimmst, wart’s nur ab.«
    Er zog skeptisch eine Braue in die Höhe.
    »Elizabeth wird sich jedenfalls nicht zum protestantischen Opferlamm machen lassen wie Jane Grey«, versicherte sie grimmig.
    »Sondern was tun?«, konterte er.
    »Willst du mich für deine Königin aushorchen?«
    »Sie ist auch deine Königin«, erinnerte er sie streng.
    Eleanor wandte den Blick ab, sah zu den beiden Schwestern hinüber, die immer noch höfliche Banalitäten austauschten, und schaute ihrem Vater dann wieder in die Augen. »Ja, ich weiß. Ich kann nicht sagen, dass ich Gottes Ratschluss in diesem Punkt begreifen kann,

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