Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
Straßenmitte, seine Stiefel wirbelten Staubwölkchen auf. Seine Wasserschläuche hatte er auf den Rücken des Maultiers geschnallt.
Bei Sheb’s hielt er an, aber Allie war nicht da. Das Haus war verlassen, wegen des Sturms verbarrikadiert, aber immer noch schmutzig von gestern nacht. Sie hatte noch nicht zu putzen angefangen, und die Bar war so stinkend wie ein nasser Hund.
Er füllte seinen Lastsack mit Getreideschrot, getrocknetem und geröstetem Getreide und der Hälfte des rohen Hackfleischs aus dem Kühlschrank. Er stapelte vier Goldstücke auf die Brettertheke. Allie kam nicht herunter. Shebs Klavier entbot ihm mit seinen gelben Zähnen ein stummes Lebewohl. Er ging wieder nach draußen und wuchtete den Lastsack auf den Rücken seines Maultiers. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Es könnte ihm gelingen, der Falle auszuweichen, aber die Chancen standen gering. Immerhin war er der Versucher.
Er ging an den zugenagelten, wartenden Häusern vorbei und spürte die Blicke durch die Ritzen und Fugen hindurch. Der Mann in Schwarz hatte in Tull Gott gespielt. War das ein Sinn für die Komik des Kosmos, oder eine Frage der Verzweiflung? Das war eine Frage von nicht unerheblicher Bedeutung.
Hinter ihm ertönte ein schriller, gequälter Schrei, und plötzlich wurden Türen aufgerissen. Gestalten schnellten heraus. Also war die Falle zugeschnappt. Männer in Overalls und Männer in schmutzigen Kattunhosen. Frauen in Pluderhosen und ausgebleichten Kleidern. Sogar Kinder, die hinter ihren Eltern einhertapsten. Und in jeder Hand war ein Holzknüppel oder ein Messer.
Seine Reaktion war automatisch, ohne Zögern, angeboren. Er wirbelte auf den Absätzen herum, während seine Hände die Pistolen aus dem Halfter zogen, deren Kolben schwer und sicher in seiner Hand lagen. Es war Allie, und selbstverständlich mußte es Allie sein, die mit verzerrtem Gesicht auf ihn zukam, in dem die Narbe im düsteren Licht eine höllische Purpurfärbung angenommen hatte. Er sah, daß sie als Geißel genommen worden war; das verzerrte, grimassenschneidende Gesicht von Sheb sah über ihre Schultern wie der Vertraute einer Hexe. Sie war sein Schild und Opfer. Er sah alles klar und ohne Schatten im gefrorenen unsterblichen Licht der sterilen Ruhe, und er hörte sie:
»Er hat mich, o Jesus, schieß nicht schieß nicht schieß …«
Aber seine Hände waren geübt. Er war der letzte seiner Rasse, und nicht nur sein Mund kannte die Hochsprache. Die Pistolen donnerten ihre schwere, atonale Musik in die Luft. Ihr Mund klappte herunter, sie sank in sich zusammen, und die Pistolen feuerten erneut. Shebs Kopf schnellte nach hinten. Sie fielen beide in den Staub.
Stöcke flogen durch die Luft und regneten herab. Er strauchelte, wehrte sie ab. Einer, durch den ein Nagel geschlagen war, riß ihm den Arm auf, und Blut floß. Ein Mann mit Bartstoppeln und Schwitzflecken unter den Achselhöhlen, der ein Küchenmesser in einer Hand hielt, warf sich ihm entgegen. Der Revolvermann erschoß ihn, und der Mann sackte auf die Straße. Seine Zähne klapperten hörbar, als das Kinn aufprallte.
»SATAN!« schrie jemand. »DER VERFLUCHTE! UNTERWERFT IHN!«
»DER VERSUCHER!« schrie eine andere Stimme. Stöcke regneten auf ihn herab. Ein Messer drang in seinen Stiefel ein und blieb wippend stecken. »DER VERSUCHER! DER ANTICHRIST!«
Er ballerte sich eine Gasse durch ihre Mitte und lief, während Menschen zu Boden fielen; seine Hände suchten mit grauenhafter Sicherheit ihr Ziel. Zwei Männer und eine Frau fielen, und er lief durch die Lücke, die sie freigemacht hatten.
Er führte die fiebrige Parade quer über die Straße und zu dem baufälligen Kaufhaus und Barbierladen an, der Sheb’s gegenüberlag. Er sprang auf den Gehweg, wirbelte wieder herum und feuerte den Rest seiner Ladung in die heranbrandende Menge. Hinter ihnen lagen Sheb und Allie und die anderen gekreuzigt im Staub.
Sie zögerten oder besannen sich nicht, wenngleich jeder Schuß, den er abfeuerte, ein lebenswichtiges Organ traf und obwohl sie eine Pistole wahrscheinlich nur auf Bildern in alten Zeitschriften gesehen hatten.
Er wich zurück und bewegte seinen Körper wie ein Tänzer, um den Wurfgeschossen auszuweichen. Im Gehen lud er mit einer Schnelligkeit nach, die seinen Fingern ebenfalls antrainiert war. Sie wuselten emsig zwischen Patronengurt und Zylinder her. Der Mob kam auf den Gehweg, und er trat in das Warenhaus und schlug die Tür zu. Das große Schaufenster rechts davon barst nach
Weitere Kostenlose Bücher