Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
einen Augenblick den Kopf hängen. Als er ihn wieder hob, sah er, daß es überhaupt nicht der Mann in Schwarz war, sondern ein kleiner Junge mit sonnengebleichtem Haar, der ihn mit Augen ansah, denen jegliches Interesse zu fehlen schien. Der Revolvermann sah ihn verständnislos an und schüttelte dann verneinend den Kopf. Doch der Junge überlebte seine Weigerung zu glauben; er stand immer noch da, in Bluejeans mit einem Flicken auf dem Knie und ein derb gewobenes braunes Hemd gekleidet.
Der Revolvermann schüttelte noch einmal den Kopf und ging mit gesenktem Kopf auf den Stall zu, ohne die Pistole aus der Hand zu nehmen. Er konnte noch nicht denken. Sein Kopf war mit Sandkörnern gefüllt, dumpf pochende Kopfschmerzen bildeten sich darin. Das Innere des Stalls war still und dunkel und explodierte vor Hitze. Der Revolvermann sah sich mit riesigen, verschwimmenden Glupschaugen um. Der Revolvermann machte eine trunkene Kehrtwendung und erblickte den Jungen, der unter der geborstenen Tür stand und ihn betrachtete. Eine riesige Lanzette des Schmerzes bohrte sich traumgleich in seinen Kopf, schnitt von einer Schläfe zur anderen und teilte sein Gehirn wie eine Orange. Er steckte die Pistole wieder in den Halfter, schwankte, hielt die Hände hoch, als wollte er Phantome abwehren, und fiel vornüber aufs Gesicht.
Als er erwachte, lag er auf dem Rücken und hatte ein Bündel lockeres, geruchloses Heu unter dem Kopf. Es war dem Jungen nicht gelungen, ihn zu bewegen, aber er hatte es ihm so angenehm wie möglich gemacht. Und ihm war kühl. Er sah an sich herab und stellte fest, daß sein Hemd von Feuchtigkeit dunkel verfärbt war. Er leckte sich das Gesicht und schmeckte Wasser. Er blinzelte danach. Der Junge kauerte neben ihm. Als er sah, daß die Augen des Revolvermannes offen waren, griff er hinter sich und reichte dem Revolvermann eine verbeulte Blechkanne voll Wasser. Er nahm sie mit zitternden Händen und genehmigte sich einen kleinen Schluck – nur einen ganz kleinen. Als der unten in seinem Magen angelangt war, trank er ein wenig mehr. Dann schüttete er sich den Rest über das Gesicht und gab prustende, erschreckte Laute von sich. Die hübschen Lippen des Jungen kräuselten sich zu einem kleinen Lächeln.
»Möchten Sie was essen?«
»Noch nicht«, sagte der Revolvermann. Er hatte immer noch die üblen Kopfschmerzen des Hitzschlags in sich, und das Wasser lag ihm unbehaglich im Magen, als wüßte es nicht, wohin es gehen sollte. »Wer bist du?«
»Mein Name ist John Chambers. Sie können mich Jake nennen.«
Der Revolvermann richtete sich auf, und die üblen Schmerzen schwollen an und wurden bohrend. Er beugte sich nach vorne und verlor einen kurzen Kampf mit seinem Magen.
»Es gibt noch mehr«, sagte Jake. Er nahm die Kanne und ging in den rückwärtigen Teil des Stalls. Er blieb stehen und lächelte den Revolvermann unsicher an. Der Revolvermann nickte ihm zu, dann senkte er den Kopf und stützte ihn mit den Händen. Der Junge war gut gebaut, hübsch und vielleicht neun Jahre alt. Ein Schatten lag über seinem Gesicht, aber heutzutage lag über jedem Gesicht ein Schatten.
Im hinteren Teil des Stalls fing ein pochendes Summen an, und der Revolvermann hob argwöhnisch den Kopf und legte die Hände auf die Pistolengriffe. Das Geräusch dauerte etwa fünfzehn Sekunden an, dann verebbte es. Der Junge kam mit der Kanne zurück – die jetzt gefüllt war.
Der Revolvermann trank wieder zögernd, doch dieses Mal ging es etwas besser. Seine Kopfschmerzen ließen nach.
»Ich wußte nicht, was ich mit Ihnen machen sollte, als Sie hingefallen waren«, sagte Jake. »Draußen dachte ich ein paar Sekunden lang, Sie würden mich erschießen.«
»Ich hielt dich für jemand anderen.« – »Den Priester?«
Der Revolvermann sah ruckartig auf. »Welchen Priester?«
Der Junge sah ihn an und runzelte ein wenig die Stirn. »Der Priester. Er schlug sein Lager im Hof auf. Ich war drüben im Haus. Ich mochte ihn nicht, daher bin ich nicht herausgekommen. Er kam in der Nacht und zog am nächsten Tag weiter. Ich hätte mich auch vor dir versteckt, aber ich schlief, als du gekommen bist.« Er sah düster über den Kopf des Revolvermannes hin weg. »Ich mag keine Menschen. Sie bringen mich durcheinander.«
»Wie sah der Priester aus?«
Der Junge zuckte die Achseln. »Wie ein Priester. Er hatte schwarze Sachen an.«
»Kapuze und Soutane?«
»Was ist eine Soutane?«
»Ein Gewand.«
Der Junge nickte. »Gewand und
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