Der Dunkle Turm 2 - Drei
gehörten zum Stamm der Cabbies oder dem der Schofföhren. Um eines dieser Tack-Siehs anzuhalten, hielt man die Hand hoch wie ein Schüler im Unterricht.
Das machte Roland, und nachdem mehrere Tack-Siehs vorbeigefahren waren, die abgesehen von ihren Fahrern offensichtlich leer waren, sah er, daß diese Schilder mit der Aufschrift Nicht im Dienst ausgeklappt hatten. Da es sich um Großbuchstaben handelte, brauchte der Revolvermann die Hilfe von Mort nicht. Er wartete, dann hob er wieder die Hand. Diesmal hielt das Tack-Sieh an. Der Revolvermann nahm auf dem Rücksitz Platz. Er roch alten Rauch, alten Schweiß, altes Parfüm. Es roch wie eine Kutsche in seiner eigenen Welt.
»Wohin, mein Freund?« fragte der Fahrer – Roland hatte keine Ahnung, ob er zum Stamm der Cabbies oder Schofföhren gehörte, und er hatte auch nicht die Absicht, ihn danach zu fragen. Es könnte in dieser Welt unhöflich sein.
»Ich bin nicht sicher«, sagte Roland.
»Dies ist keine Selbsterfahrungsgruppe, mein Freund. Zeit ist Geld.«
Sag ihm, er soll den Wimpel runterklappen trug ihm die Mortzyklopädie auf.
»Klappen Sie die Flagge runter«, sagte Roland.
»Kostet nix als Zeit«, antwortete der Fahrer.
Sag ihm, du gibst ihm fünf Piepen Trinkgeld, riet die Mortzyklopädie.
»Ich gebe Ihnen fünf Piepen Trinkgeld«, sagte Roland.
»Laß sehen«, antwortete der Fahrer. »Der Spatz in der Hand…«
Frag ihn, ob er das Geld haben oder sich ins Knie ficken will, riet die Mortzyklopädie auf der Stelle.
»Wollen Sie das Geld oder wollen Sie sich ins Knie ficken?« fragte Roland mit kalter, toter Stimme.
Die Augen des Fahrers sahen nur einen Augenblick aufgebracht in den Rückspiegel, dann sagte er nichts mehr.
Roland studierte Jack Morts aufgehäuftes Wissen ein wenig genauer. Während der fünfzehn Sekunden, die sein Fahrgast einfach nur mit gesenktem Kopf dasaß, die linke Hand an die Stirn gepreßt, als hätte er Excedrin-Kopfschmerzen, sah der Taxifahrer noch einmal auf. Der Fahrer hatte gerade beschlossen, ihm zu sagen, er solle aussteigen, sonst würde er einen Polizisten rufen, als der Fahrgast aufsah und freundlich sagte: »Bitte bringen Sie mich zur Ecke Seventh Avenue und 49. Straße. Ich zahle Ihnen für diese Reise zehn Dollar mehr als den Betrag auf dem Taxameter, einerlei, zu welchem Stamm Sie gehören.«
Ein Irrer, dachte der Fahrer (ein WASP aus Vermont, der versuchte, den Durchbruch im Showbiz zu schaffen), aber möglicherweise ein reicher Irrer. Er legte den Gang ein. »Sind schon so gut wie da, Kumpel«, sagte er, während er sich in den Verkehr einfädelte, und im Geiste fügte er hinzu: Je früher desto besser.
4
Improvisieren. Das war das Wort.
Der Revolvermann sah das blauweiße Auto am anderen Ende des Blocks parken und las Polizei als Polisse, ohne Morts Wissen anzuzapfen. Drinnen saßen zwei Revolvermänner, die etwas – wahrscheinlich Kaffee – aus weißen Papiergläsern tranken. Revolvermänner, ja – aber sie sahen dick und lasch aus.
Der Revolvermann griff in Jack Morts Börse (aber sie war viel zu klein für eine echte Börse; eine echte Börse war fast so groß wie eine Tasche und konnte alle Habseligkeiten eines Mannes aufnehmen, wenn er nicht mit zu schwerem Gepäck reiste) und gab dem Fahrer einen Schein mit der Zahl zwanzig darauf. Der Cabbie fuhr rasch davon. Es war locker das beste Trinkgeld, das er heute bekommen hatte, aber der Fahrgast war so unheimlich gewesen, daß er der Meinung war, er hatte jeden Cent davon verdient.
Der Revolvermann studierte das Schild über dem Laden. CLEMENTS SCHUSSWAFFEN UND SPORTAUSRÜSTUNG, stand darauf. MUNITION, ANGELZEUG, OFFIZIELLE URKUNDEN.
Er verstand nicht alle Worte, aber er mußte nur einen Blick ins Schaufenster werfen, um festzustellen, daß Mort ihn zum richtigen Geschäft gebracht hatte. Da waren Armbänder ausgestellt, Rangabzeichen… und Waffen. Größtenteils Gewehre, aber auch Pistolen. Sie waren angekettet, aber das machte nichts.
Er würde wissen, was er brauchte, wenn – falls – er es sah.
Roland konsultierte Jack Morts Verstand – der gerade listig genug für seine Zwecke war – länger als eine Minute.
5
Einer der Polizisten in dem Streifenwagen stieß den anderen an. »Das«, sagte er, »nenne ich einen wirklich preisvergleichenden Kunden.«
Sein Partner lachte. »O Gott«, sagte er mit femininer Stimme, als der Mann im Anzug und mit Nickelbrille das Studium der Ware im Schaufenster beendete und
Weitere Kostenlose Bücher