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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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von Aussaat bedeutete. Im Großen Saal hingen fünf Leuchter statt nur einem, und dazu mit Glühbirnen, nicht mit Öllampen. Die Kleidung der Habitues dort (viele wohlhabende junge Männer und Frauen, die in ihrem ganzen Leben keinen Handschlag getan hatten, eine Tatsache, die John Farson bei jeder Gelegenheit erwähnte) war prunkvoller gewesen, die Musik volltönender, und die Gesellschaft selbst bestand aus älteren und edleren Geschlechtern, die immer mehr zusammenwuchsen, je weiter sie zu Arthur Eld zurückreichten, dem mit dem weißen Pferd und dem Schwert der Einigung.
    Doch auch hier herrschte Leben, und zwar jede Menge. Es überwog allerdings eine Robustheit, die in Gilead gefehlt hatte, und zwar nicht nur an Osterling. Die Atmosphäre, die Roland spürte, als er den Empfangssaal im Haus des Bürgermeisters betrat, war eines von den Dingen, so kam es ihm vor, die man nicht ganz vermisste, wenn sie nicht mehr da waren, weil sie leise und schmerzlos aus der Erinnerung verschwanden. Wie Blut aus einer Ader, die man sich in einer Badewanne mit heißem Wasser aufschnitt.
    Der Raum – fast, aber nicht ausreichend groß für einen richtigen Saal – war kreisrund, die furnierten Wände mit Gemälden (die meisten ziemlich schlecht) der früheren Bürgermeister geschmückt. Auf einer erhöhten Bühne rechts der Tür zum Speisesaal spielten vier grinsende Gitarristen in Tati -Jacken und mit sombreros auf dem Kopf etwas, was sich wie ein durchgeprügelter Walzer anhörte. In der Mitte des Raums stand ein Tisch mit zwei Punschschüsseln aus geschliffenem Glas, eine riesengroß und eindrucksvoll, eine kleiner und schlichter. Der Mann in weißem Jackett, der für den Ausschank zuständig war, erwies sich auch als einer von Averys Hilfssheriffs.
    Im Gegensatz zu dem, was der Hohe Sheriff am Tag zuvor behauptet hatte, trugen mehrere Männer doch Schärpen, und zwar in unterschiedlichsten Farben, aber Roland kam sich in seinem weißen Seidenhemd, seinem schwarzen Kordelschlips und einem Paar Röhrenhosen nicht zu fehl am Platze vor. Auf jeden Mann mit Schärpe sah er drei, die altbackene Gehröcke mit langen Schößen trugen, wie er sie stets mit Viehzüchtern in der Kirche assoziierte, und er sah einige (vorwiegend jüngere) Männer, die gar keinen Rock trugen. Einige Frauen trugen Schmuck (wenn auch nichts so Teures wie Sai Thorins Ohrringe aus Feuerjuwelen), und einige sahen aus, als hätten sie in ihrem Leben viele Mahlzeiten versäumt, aber auch sie trugen Sachen, die Roland kannte: lange Kleider mit runden Kragen, bei denen man für gewöhnlich den Spitzenrand eines bunten Unterkleids sehen konnte, dunkle Schuhe mit flachen Absätzen, Haarnetze (in denen wie bei Olive und Coral Thorin meistens Edelsteinsplitter funkelten).
    Und dann sah er eine, die anders war.
    Das war natürlich Susan Delgado, strahlend und fast zu schön zum Anschauen in ihrem blauen Seidenkleid mit hoher Taille und einem ausgeschnittenen Leibchen, das die Ansätze ihrer Brüste zeigte. Um den Hals trug sie einen Anhänger aus Saphir, neben dem Olive Thorins Ohrringe wie Tinnef wirkten. Sie stand neben einem Mann, der eine Schärpe von der Farbe von Kohlen in einem heißen Holzfeuer trug. Dieses dunkle Orange war die Farbe der Baronie, und Roland vermutete, dass der Mann ihr Gastgeber war, aber im Moment sah ihn Roland so gut wie nicht. Susan Delgado zog seinen Blick ganz auf sich: das blaue Kleid, die braune Haut, die farbigen Dreiecke auf ihren Wangen, zu blass und perfekt für Make-up; am meisten aber ihr Haar, das sie heute Abend offen trug, sodass es ihr wie ein Schimmer hellster Seide bis zur Taille fiel. Er wollte sie, plötzlich und rückhaltlos, mit einer verzweifelten Gefühlsaufwallung, die etwas Krankhaftem gleichkam. Alles, was er war und weswegen er gekommen war, so schien es, war neben ihr zweitrangig.
    Auf einmal drehte sie sich ein wenig um und erblickte ihn. Ihre Augen (sie waren grau, wie er jetzt sah) weiteten sich eine Winzigkeit. Er glaubte, dass die Farbe ihrer Wangen um etwas dunkler wurde. Sie öffnete leicht die Lippen – Lippen, welche die seinen berührt hatten, als sie beide auf einer dunklen Straße standen, dachte er staunend. Dann sagte der Mann neben Thorin (ebenfalls groß, ebenfalls mager, mit einem weißen Schnurrbart und langem weißem Haar, das auf die dunklen Schultern seiner Jacke fiel) etwas, und sie drehte sich zu ihm um. Einen Augenblick später lachte die Gruppe um Thorin, Susan eingeschlossen. Der Mann

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