Der Dunkle Turm 4 - Glas
mit dem weißen Haar stimmte nicht ein, sondern lächelte nur dünn.
Roland, der hoffte, man möge seinem Gesicht nicht ansehen, dass sein Herz wie ein Hammer schlug, wurde geradewegs zu dieser Gruppe, die gerade bei den Punschschüsseln stand, geführt. Wie aus weiter Ferne konnte er spüren, dass Rimers knochiges Bündnis von Fingern seinen Arm oberhalb des Ellbogens umklammerte. Deutlicher roch er verschiedene Parfüms, das Öl der Lampen an den Wänden, den Duft des Meeres. Und dachte völlig grundlos: O ich sterbe. Ich sterbe.
Reiß dich zusammen, Roland von Gilead. Hör auf mit diesem albernen Gehabe, um deines Vaters willen. Reiß dich zusammen!
Er versuchte es… mit einem gewissen Erfolg… wusste aber, wenn sie ihn das nächste Mal ansah, wäre es um ihn geschehen. Es lag an ihren Augen. Beim ersten Mal, in der Dunkelheit, hatte er diese nebelfarbenen Augen nicht richtig bestimmen können. Zum Glück wusste ich es da noch nicht, dachte er trocken.
»Bürgermeister Thorin?«, sagte Rimer. »Darf ich Ihnen unsere Gäste aus den Inneren Baronien vorstellen?«
Thorin wandte sich von dem Mann mit dem langen weißen Haar und der Frau ab, die neben ihm stand, und strahlte über das ganze Gesicht. Er war kleiner als sein Kanzler, aber genauso hager, und sein Körperbau war eigentümlich: ein kurzer Oberkörper mit schmalen Schultern über unglaublich langen und dünnen Beinen. Er sah, so fand Roland, wie die Art von Vögeln aus, die man bei Morgengrauen in den Sümpfen sehen konnte, wo sie nach ihrem Frühstück pickten.
»Aye, Sie dürfen!«, rief er mit einer kräftigen, hohen Stimme. »Sie dürfen wahrlich, wir haben voller Ungeduld, großer Ungeduld, auf diesen Augenblick gewartet! Ein guter Stern steht über unserer Begegnung, ein sehr guter Stern! Willkommen, ihr Herren! Möge euer Abend in diesem Haus, dessen vorübergehender Besitzer ich bin, glücklich sein, und mögen eure Tage auf Erden lang sein!«
Roland nahm die ausgestreckte knochige Hand, hörte Knöchel unter seinem Händedruck knacken, suchte nach einem Ausdruck des Unbehagens im Gesicht des Bürgermeisters, entdeckte zu seiner Erleichterung aber keinen. Er verbeugte sich tief über sein ausgestrecktes Bein.
»William Dearborn, Bürgermeister Thorin, zu Euren Diensten. Danke für Euren Willkommensgruß, und mögen Eure Tage auf Erden lang sein.«
»Arthur Heath« entbot seinen Gruß als Nächster, danach »Richard Stockworth«. Thorins Lächeln wurde mit jeder tiefen Verbeugung breiter. Rimer schien sich größte Mühe zu geben, eine strahlende Miene zu präsentieren, was er aber offenbar nicht gewöhnt war. Der Mann mit dem langen weißen Haar nahm ein Glas Punsch, gab es seiner Begleiterin und lächelte weiterhin dünn. Roland merkte, dass ein jeder im Raum – alles in allem rund fünfzig Gäste – sie ansah, aber am deutlichsten spürte er ihren Blick auf seiner Haut, gleich einem sanften Flügelschlag. Aus den Augenwinkeln konnte er ihr blaues Seidenkleid wahrnehmen, wagte es aber nicht, sie offen anzuschauen.
»Hattet Ihr eine schwierige Reise?«, fragte Thorin. »Habt Ihr Abenteuer und Gefahren erlebt? Wir möchten beim Dinner alle Einzelheiten hören, das möchten wir, haben wir heutzutage doch nur wenig Gäste aus dem Inneren Bogen.« Sein eifriges, leicht albernes Lächeln verblasste; er zog die buschigen Brauen zusammen. »Seid Ihr auf Patrouillen von Farson gestoßen?«
»Nein, Exzellenz«, sagte Roland. »Wir…«
»Nay, Freund, nay – nicht Exzellenz, das dulde ich nicht, und die Fischersleute und Pferdetreiber, denen ich diene, würden es auch nicht, selbst wenn ich es wollte. Nur Bürgermeister Thorin, wenn ich bitten dürfte.«
»Danke. Wir haben auf unserer Reise viele seltsame Dinge gesehen, Bürgermeister Thorin, aber keine Guten Männer.«
»Gute Männer!«, stieß Rimer hervor und lächelte, wobei er die Oberlippe hochzog, was ihm ein hündisches Aussehen verlieh. »Gute Männer, wahrhaftig!«
»Wir wollen alles hören, jedes Wort«, sagte Thorin. »Aber bevor ich in meinem Eifer meine Manieren vergesse, junge Herren, möchte ich Euch den Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung vorstellen. Kimba habt Ihr schon kennen gelernt; dieser treffliche Bursche zu meiner Linken ist Eldred Jonas, das Oberhaupt meiner jüngst eingerichteten Leibgarde.« Thorins Lächeln sah für einen Moment verlegen aus. »Ich bin nicht überzeugt, dass ich eine zusätzliche Wache brauche; Sheriff Avery hat es zwar stets geschafft,
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