Der Dunkle Turm 4 - Glas
aufgerissen; sein Mund stand offen. Roland konnte das alles deutlich sehen, weil das Citgo-Gelände inzwischen taghell erleuchtet war. Es schien, als hätten sie ihr eigenes Erntefreudenfeuer angezündet, eine Nacht zu früh und viel heller, als es das in der Stadt jemals sein konnte.
Er rutschte auf Knien zu Cuthbert und packte ihn unter den Armen. Hinter ihnen ertönte ein gewaltiges, reißendes Brüllen, und plötzlich regneten Metalltrümmer um sie herum vom Himmel. Sie sprangen auf und rannten zu Alain, der vor Susan und Sheemie stand und versuchte, sie abzuschirmen.
Roland riskierte einen kurzen Blick über die Schulter und sah, dass die Überreste des Bohrturms – rund die Hälfte davon stand noch – inmitten einer gelben Feuersäule, die schätzungsweise fünfzig Meter in den Himmel ragte, so schwarzrot wie ein erhitztes Hufeisen glühten. Das war immerhin ein Anfang. Er wusste nicht, wie viele Bohrtürme er noch sprengen konnte, bis Leute aus der Stadt eintrafen, war aber entschlossen, so viele wie möglich anzuzünden, wie groß das Risiko auch sein mochte. Würden sie nur die Tanks beim Hanging Rock sprengen, wäre das nur die Hälfte der Aufgabe. Farsons Quelle musste vernichtet werden.
Wie sich herausstellte, mussten sie in die anderen Bohrtürme keine Kanonenschläge mehr werfen. Unter dem Ölfeld verlief ein Netz verbundener Rohrleitungen, die überwiegend mit Erdgas gefüllt waren, das durch die uralten, lecken Dichtungen eingedrungen war. Roland und Cuthbert hatten die anderen kaum erreicht, als eine zweite Explosion ertönte und eine zweite Feuersäule aus einem Bohrturm rechts des ersten in die Höhe schoss. Einen Augenblick später explodierte ein dritter Bohrturm – volle sechzig Schritte von den ersten beiden entfernt – mit einem Laut wie das Brüllen eines Drachen. Das Eisengerüst wurde aus den Betonsäulen gezogen, wo es verankert war, wie ein Zahn aus entzündetem Zahnfleisch. Es stieg auf einem gleißend blaugelben Kissen in die Höhe, erreichte seinen Höchststand bei rund zwanzig Metern, kippte und schlug dann krachend auf, sodass Funken in alle Himmelsrichtungen stoben.
Noch einer. Noch einer. Und noch einer.
Die fünf jungen Leute standen fassungslos in ihrer Ecke und hielten die Hände hoch, um die Augen vor dem gleißenden Licht zu schützen. Inzwischen brannten Bohrtürme auf dem ganzen Ölfeld wie Kerzen auf einem Geburtstagskuchen, und die Hitze, die ihnen entgegenschlug, war gewaltig.
»Götter, seid uns gnädig«, flüsterte Alain.
Wenn sie noch länger hier blieben, wurde Roland klar, würden sie aufplatzen wie Popcorn. Und an die Pferde mussten sie auch denken; die waren zwar weit vom Mittelpunkt der Explosionen entfernt, aber es gab keine Garantie, dass dieser Mittelpunkt dort bleiben würde, wo er war; er sah bereits zwei Bohrtürme, die eigentlich gar nicht mehr funktioniert hatten, in Flammen gehüllt. Die Pferde mussten Todesangst haben.
Verdammt, er hatte Todesangst.
»Kommt mit!«, rief er.
Sie liefen im wabernden orangegelben Licht zu den Pferden.
3
Zuerst glaubte Jonas, es würde nur in seinem Kopf passieren – dass die Explosionen ein Teil ihres Liebesspiels wären.
Liebesspiel, yar. Liebesspiel, Pferdescheiße. Er und Coral machten ebenso wenig ein Liebesspiel, wie Esel rechnen konnten. Aber es war etwas. O ja, das war es wirklich.
Er hatte früher schon leidenschaftliche Frauen gehabt, die einen in eine Art Ofen einführten und festhielten und dabei voll gieriger Hitze ansahen, während sie die Hüften bewegten, aber vor Coral hatte er noch nie eine Frau gehabt, die einen derart starken harmonischen Akkord in ihm zum Klingen brachte. Was Sex betraf, hatte er stets zu den Männern gehört, die ihn nahmen, wenn sie ihn bekamen, und vergaßen, wenn nicht. Aber bei Coral wollte er ihn nur nehmen, nehmen und nochmals nehmen. Wenn sie zusammen waren, liebten sie sich wie Katzen oder Frettchen, wanden sich und zischten und krallten; bissen einander und verfluchten einander, und bis jetzt hatten sie beide noch nicht einmal annähernd genug. In ihrem Beisein kam sich Jonas manchmal vor, als würde er in süßem Öl gebraten werden.
Heute Abend hatte eine Versammlung des Pferdezüchterverbandes stattgefunden, der in letzter Zeit überwiegend zum Farson-Verband geworden war. Jonas hatte sie auf den neuesten Stand gebracht, hatte ihre idiotischen Fragen beantwortet und dafür gesorgt, dass sie wussten, was sie am nächsten Tag zu tun hatten. Als
Weitere Kostenlose Bücher