Der Dunkle Turm 4 - Glas
dranmachen, weil der alte bald abfällt.«
»Das ist eine Arbeit für später«, sagte Alain und nahm den Steigbügel. Er legte ihn beiseite und wandte sich an Roland. »Wohin jetzt?«
Rolands erster Gedanke war, dass sie zum Mausoleum der Thorins zurückkehren sollten.
Sheemie reagierte darauf unverzüglich mit Entsetzen. »Auf den Beinhof? Wenn der Dämonenmond voll ist?« Er schüttelte so heftig den Kopf, dass sich seine sombrera löste und das Haar von einer Seite auf die andere flog. »Die sind tot da drinnen, Sai Dearborn, aber wenn man sie zur Zeit des Dämons reizt, stehen sie vielleicht auf und gehen rum!«
»Das wäre sowieso nicht gut«, sagte Susan. »Die Frauen aus der Stadt werden den Weg zum Seafront mit Blumen schmücken, und das Mausoleum selbst auch. Womöglich wird Olive das beaufsichtigen, aber meine Tante und Coral werden wahrscheinlich auch mit von der Partie sein. Und diesen Damen wollen wir auf keinen Fall über den Weg laufen.«
»Na gut«, sagte Roland. »Steigen wir auf und reiten los. Denk darüber nach, Susan. Du auch, Sheemie. Wir suchen einen Platz, wo wir uns mindestens bis zum Morgengrauen versteckt halten können, und es sollte ein Versteck sein, das wir in höchstens einer Stunde erreichen können. Abseits der Großen Straße, und in jeder beliebigen Richtung außer Nordwesten.«
»Warum nicht Nordwesten?«, fragte Alain.
»Weil wir jetzt dorthin reiten. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen… und wir werden sie wissen lassen, dass wir sie erfüllen werden. Vor allem Eldred Jonas.« Sein Lächeln war so dünn wie eine Messerklinge. »Er soll wissen, dass das Spiel vorbei ist. Keine Partie Kastell mehr. Die echten Revolvermänner sind da. Mal sehen, ob er es mit denen aufnehmen kann.«
2
Eine Stunde später, als der Mond hoch über den Bäumen stand, erreichte Rolands Ka-Tet das Citgo-Ölfeld. Aus Sicherheitsgründen ritten sie parallel zur Großen Straße, aber es stellte sich heraus, dass die Vorsichtsmaßnahme unnötig war: Sie sahen keinen einzigen Reiter auf der Straße, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Es ist, als wäre das Erntefest dieses Jahr abgesagt worden, dachte Susan… dann fielen ihr all die Strohpuppen mit den roten Händen ein, und sie erschauerte. Morgen Abend hätten sie Roland die Hände rot angemalt, und sie würden es immer noch tun, wenn man ihr Ka-Tet erwischte. Und nicht nur ihm. Uns allen. Auch Sheemie.
Sie ließen die Pferde (und Caprichoso, der missmutig, aber behände an einem Strick hinter ihnen hergetrottet war) angebunden an einer längst ausgefallenen Pumpenanlage in der südöstlichen Ecke des Geländes zurück und gingen zu Fuß langsam zu den funktionierenden Bohrtürmen, die sich alle im selben Abschnitt befanden. Wenn sie sich überhaupt unterhielten, dann flüsternd. Roland wusste nicht, ob das notwendig war, aber es schien angemessen zu sein. Roland fand das Citgo-Gelände weitaus unheimlicher als den Friedhof, und obwohl er bezweifelte, dass die Toten dort aufwachen würden, Dämonenmond hin oder her, gab es hier einige äußerst unruhige Leichen, quietschende Zombies, die rostzerfressen im Mondschein standen und ihre Kolben wie marschierende Beine auf- und abbewegten.
Roland führte sie trotzdem in den aktiven Teil der Anlage, vorbei an einem Schild mit der Aufschrift W AS MACHT IHR S CHUTZHELM ? und einem weiteren, auf dem stand: W IR PRODUZIEREN Ö L , WIR RAFFINIEREN S ICHERHEIT . Sie blieben unter einem der Fördertürme stehen, der so laut knirschte, dass Roland schreien musste, um sich verständlich zu machen.
»Sheemie! Gib mir ein paar von den großen Kanonenschlägen!«
Sheemie hatte eine Hand voll aus Susans Satteltasche mitgenommen und gab ihm nun zwei davon. Roland nahm Bert am Arm und zog ihn mit. Ein rostiger Zaun umgab den Förderturm, aber als die Jungs darüberklettern wollten, brachen die verrosteten Querstreben wie alte Knochen. Sie sahen einander in den unruhigen Schatten, welche die Maschinen im Mondschein warfen, nervös und amüsiert zugleich an.
Susan fasste Roland am Arm. »Sei vorsichtig!«, rief sie über das rhythmische Wumpa-wumpa-wumpa der Förderpumpe hinweg. Sie sah nicht ängstlich aus, stellte er fest, nur aufgeregt und wachsam.
Er grinste, zog sie zu sich und gab ihr einen Kuss auf das Ohrläppchen. »Mach dich bereit zu fliehen«, flüsterte er. »Wenn wir es richtig anstellen, dann wird es hier gleich eine neue Fackel geben. Eine verdammt große.«
Er und
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