Der Dunkle Turm 4 - Glas
»Aber diesmal musst du mir gehorchen.«
Sie sah ihn gelassen an und sagte nichts.
»Sie weiß«, sagte er. »Sie weiß, was ich Ihr sagen will.«
»Aye, vielleicht.«
»Sag es. Besser, du sagst es als ich.«
»Ich soll in der Hütte bleiben, wenn du und die anderen beiden aufbrechen. Sheemie und ich sollen bleiben.«
Er nickte. »Wirst du es tun? Wird Sie es tun?«
Sie dachte, wie fremd und unangenehm sich Rolands Revolver in ihrer Hand angefühlt hatte, als sie ihn unter dem serape versteckt hatte; an Daves große, fassungslose Augen, als die Kugel ihn nach hinten riss, die sie ihm in die Brust geschossen hatte; wie die Kugel nur ihre Kleidung in Brand gesetzt hatte, als sie das erste Mal versucht hatte, auf Sheriff Avery zu schießen, obwohl er unmittelbar vor ihr gewesen war. Sie hatten keine Waffe für sie (es sei denn, sie nähme eine von Roland), sie konnte sowieso nicht besonders gut damit umgehen… und, noch wichtiger, sie wollte keine haben. Unter diesen Umständen schien es tatsächlich das Beste zu sein, wenn sie sich vom Geschehen fern hielt, zumal sie auch an Sheemie denken mussten.
Roland wartete geduldig. Sie nickte. »Sheemie und ich werden auf Ihn warten. Das ist ein Versprechen.«
Er lächelte erleichtert.
»Und nun vergilt es mir mit Ehrlichkeit, Roland.«
»Wenn ich kann.«
Sie schaute zum Mond hinauf, erschauerte wegen der ominösen Fratze, die sie dort entdeckte, und sah Roland wieder an. »Wie groß ist die Aussicht, dass Er zu mir zurückkommen wird?«
Darüber dachte er gründlich nach, ohne ihre Arme loszulassen. »Weitaus besser, als Jonas glaubt«, sagte er schließlich. »Wir werden am Rand des Bösen Grases warten und sollten ihn beizeiten herannahen sehen.«
»Aye, die Herde, die ich gesehen habe…«
»Er könnte ohne Pferde kommen«, sagte Roland, ohne zu ahnen, wie gut er sich da in Jonas’ Denkweise hineinversetzen konnte, »aber seine Leute werden auch ohne die Herde Lärm machen. Und wenn es genug sind, werden wir sie auch sehen – sie werden eine Schneise durch das Gras schlagen wie einen Scheitel durch Haar.«
Susan nickte. Das hatte sie mehrfach von der Schräge aus gesehen – wie sich das Böse Gras auf geheimnisvolle Weise teilte, wenn Männer hindurchritten.
»Und wenn sie nach Ihm suchen, Roland? Wenn Jonas Kundschafter vorausschickt?«
»Ich bezweifle, dass er sich die Mühe machen wird.« Roland zuckte die Achseln. »Und wenn doch, nun, dann töten wir sie. So lautlos wir können. Wir sind zum Töten ausgebildet worden; wir werden es tun.«
Sie drehte die Hände um, befreite sich aus seinem Griff und hielt nun seine Oberarme fest. Sie sah ungeduldig und furchtsam aus. »Er hat meine Frage nicht beantwortet. Wie groß ist die Aussicht, dass ich Ihn wiedersehen werde?«
Er dachte darüber nach. »Eins zu eins«, sagte er schließlich.
Sie machte die Augen zu, als wäre sie geschlagen worden, atmete ein, aus, schlug die Augen wieder auf. »Schlimm«, sagte sie, »aber vielleicht nicht ganz so schlimm, wie ich gedacht habe. Und wenn Er nicht zurückkehrt? Gehen Sheemie und ich dann nach Westen, wie Er zuvor gesagt hat?«
»Aye, nach Gilead. Dort wird es einen Ort der Sicherheit und Achtung für dich geben, Liebste, was immer kommen mag… Aber es ist besonders wichtig, dass du gehst, wenn du die Tanks nicht explodieren hörst. Das weiß Sie, oder nicht?«
»Um Sein Volk zu warnen – Sein Ka-Tet.«
Roland nickte.
»Ich werde sie warnen, keine Bange. Und auch Sheemie behüten. Es ist ebenso sein Verdienst, dass wir so weit gekommen sind, wie alles, was ich getan habe.«
Roland setzte noch aus einem anderen Grund auf Sheemie. Wenn er und Bert und Alain getötet würden, wäre Sheemie es, der ihr Halt und einen Grund zum Weiterleben gab.
»Wann bricht Er auf?«, fragte Susan. »Haben wir noch Zeit, uns zu lieben?«
»Wir haben Zeit, aber vielleicht wäre es besser, wir täten es nicht«, sagte er. »Auch ohne wird es mir schwer genug fallen, dich zu verlassen. Es sei denn, du willst es wirklich…« Seine Augen flehten sie fast an, Ja zu sagen.
»Gehen wir einfach zurück und legen uns ein wenig hin«, sagte sie und nahm seine Hand. Einen Augenblick lang lag ihr auf der Zunge, ihm zu sagen, dass sie sein Kind empfangen habe, aber im letzten Moment behielt sie es dann doch für sich. Er musste auch ohne dieses Wissen über mehr als genug nachdenken… und sie wollte ihm solch frohe Kunde nicht unter einem so hässlichen Mond überbringen. Gewiss
Weitere Kostenlose Bücher