Der Dunkle Turm 4 - Glas
viel Angst habt Ihr eigentlich vor diesen drei Jungs, Jonas?«
»Genug für uns beide, schätze ich, weil Sie zu dumm sind, um zu begreifen, wer sie sind oder wozu sie imstande sind.« Auch er zog nun sein Halstuch hoch und zwang sich dann zu einem umgänglicheren Ton. Das würde das Beste sein; er brauchte diese Tölpel noch eine Weile. Sobald die Glaskugel an Latigo übergeben worden war, konnte sich das natürlich ändern. »Obwohl wir sie vielleicht nie zu Gesicht bekommen werden.«
»Wahrscheinlich sind sie schon dreißig Meilen von hier und reiten nach Westen, so schnell ihre Pferde sie tragen«, sagte Renfrew. »Ich würde eine Krone dafür geben, zu erfahren, wie sie entkommen konnten.«
Was spielt das denn für eine Rolle, du Idiot?, dachte Jonas, sagte aber nichts.
»Was Lengylls Männer angeht, es werden die härtesten Jungs sein, die er bekommen kann – wenn es zum Kampf kommt, werden diese dreißig kämpfen wie sechzig.«
Jonas sah Clay Reynolds kurz in die Augen. Das glaube ich erst, wenn ich es sehe, sagte Clays flüchtiger Blick, und Jonas wusste wieder, warum ihm dieser Mann immer sympathischer gewesen war als Roy Depape.
»Wie viele bewaffnet?«
»Mit Schusswaffen? Vielleicht die Hälfte. Sie dürften nicht mehr als eine Stunde hinter uns sein.«
»Gut.« Wenigstens war ihr Rückzug gedeckt. Das musste genügen. Und er konnte es nicht erwarten, diese dreimal verfluchte Glaskugel loszuwerden.
Ach?, flüsterte eine verschmitzte, halb irre Stimme von einer Stelle tiefer als sein Herz. Ach, wirklich?
Jonas beachtete die Stimme nicht mehr, bis sie von selbst verstummte. Eine halbe Stunde später bogen sie von der Straße auf die Schräge ab. Mehrere Meilen vor ihnen lag das Böse Gras, das sich im Wind wie ein silbernes Meer bewegte.
7
Etwa zu der Zeit, als Jonas und seine Gruppe über die Schräge ritten, schwangen sich Roland, Cuthbert und Alain in den Sattel. Susan und Sheemie standen vor der Tür der Hütte, hielten sich an den Händen und sahen ihnen ernst zu.
»Du wirst die Explosionen hören, wenn die Tanks hochgehen, und den Rauch riechen«, sagte Roland. »Auch wenn der Wind in die falsche Richtung weht, glaube ich, wirst du den Rauch riechen. Und dann, keine Stunde später, noch mehr Rauch. Dort.« Er wies mit dem Arm in die Richtung. »Er wird vom Gestrüpp am Eingang des Canyons kommen.«
»Und wenn wir nichts davon sehen oder riechen?«
»Nach Westen. Aber das werdet ihr, Sue. Ich schwöre, das werdet ihr.«
Sie kam nach vorn, legte ihm die Hand auf den Oberschenkel und sah im späten Mondlicht zu ihm auf. Er bückte sich, legte ihr die Hand sanft auf den Hinterkopf und presste seinen Mund auf ihren.
»Gehe Er seinen Weg unbeschadet«, sagte Susan, als sie sich von ihm löste.
»Aye«, fügte Sheemie plötzlich hinzu. »Seid standhaft und wahrhaftig, alle drei.« Er kam selbst nach vorn und berührte zaghaft Cuthberts Stiefel.
Cuthbert bückte sich, nahm Sheemies Hand und schüttelte sie. »Gib gut auf sie Acht, alter Junge.«
Sheemie nickte ernst. »Das werde ich.«
»Kommt«, sagte Roland. Er dachte, wenn er das ernste, aufwärts gerichtete Gesicht noch lange anschauen musste, würde er anfangen zu weinen. »Gehen wir.«
Sie ritten langsam von der Hütte weg. Bevor das Gras sich hinter ihnen schloss und sie den Blicken entzog, drehte er sich ein letztes Mal um.
»Susan, ich liebe Sie.«
Sie lächelte. Es war ein wunderschönes Lächeln. »Vogel und Bär und Fisch und Hase«, sagte sie.
Als Roland sie das nächste Mal sah, war sie in der Glaskugel des Zauberers gefangen.
8
Was Roland und seine Freunde westlich des Bösen Grases sahen, besaß eine schroffe, einsame Schönheit. Der Wind wehte gewaltige Sandschleier über den steinigen Wüstenboden; das Mondlicht verwandelte sie in tolldreiste Phantome. Manchmal konnte man zwei Räder entfernt den Hanging Rock sehen, und weitere zwei Räder entfernt den Eingang des Eyebolt Canyon. Manchmal wurden beide vom Staub verborgen. Hinter ihnen gab das hohe Gras ein sehnsuchtsvoll singendes Geräusch von sich.
»Wie geht es euch, Jungs?«, fragte Roland. »Alles in Ordnung?«
Sie nickten.
»Ich glaube, es wird eine große Schießerei geben.«
»Wir werden das Angesicht unserer Väter vor Augen haben«, sagte Cuthbert.
»Ja«, stimmte Roland fast geistesabwesend zu. »Wir werden es ganz deutlich vor Augen haben.« Er streckte sich im Sattel. »Der Wind weht zu unseren Gunsten, nicht zu ihren –
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