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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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ihrem Hosenbein ab. »Ich weiß ebenso gut, wer Hart getötet hat, wie Ihr selbst es wisst, also erzählt mir keinen Stuss, dann werde ich es auch nicht tun.« Sie sah, wie Coral erneut die Hand hob, um sie zu schlagen, und brachte ein trockenes Lachen zustande. »Nur zu. Zerkratzt mir das Gesicht ruhig auch noch auf der anderen Seite, wenn es Euch gefällt. Wird das etwas daran ändern, wie Ihr heute Nacht schlaft, wenn kein Mann da ist, der die andere Seite des Betts wärmt?«
    Corals Hand fuhr schnell und fest herunter, aber anstatt sie zu schlagen, packte sie Susan nur am Arm. Diesmal fest genug, dass es wehtun musste, aber Susan spürte es dennoch kaum. Ihr war heute schon von Fachleuten dafür wehgetan worden, und sie würde mit Freuden noch mehr Schmerzen auf sich nehmen, wenn dadurch der Augenblick schneller kam, an dem sie wieder mit Roland vereint sein würde.
    Coral zerrte sie den restlichen Weg über den Flur und dann durch die Küche (der große Raum, in dem an jedem anderen Erntefest der Dampf aus zahllosen Töpfen aufgestiegen wäre und reges Kommen und Gehen geherrscht hätte, lag auf unheimliche Weise verlassen da) zu deren eisenbeschlagener Tür auf der anderen Seite. Sie riss die Tür auf. Ein Geruch von Kartoffeln und Kürbissen und Scharfwurzel schlug ihr entgegen.
    »Da rein! Und zwar ein bisschen plötzlich, bevor ich beschließe, dich in deinen liebreizenden Hintern zu treten.«
    Susan sah ihr lächelnd in die Augen.
    »Ich würde Euch verfluchen, weil Ihr die Bettgenossin eines Mörders seid, Sai Thorin, aber Ihr habt Euch schon selbst verflucht. Und Ihr wisst es auch – es steht Euch im Gesicht geschrieben, ganz deutlich. Daher werde ich nur einen Knicks vor Euch machen…« Sie ließ den Worten, immer noch lächelnd, die Tat folgen. »… und wünsche Euch einen ausnehmend guten Tag.«
    »Geh da rein, und halt dein loses Maul!«, schrie Coral und stieß Susan in die Kühlkammer. Sie schlug die Tür zu, schob den Riegel vor und sah die vaqs, die eingeschüchtert vor ihr zurückwichen, mit blitzenden Augen an.
    »Gebt gut auf sie Acht, muchachos. Vergesst das bloß nicht.«
    Sie rauschte zwischen ihnen hindurch, ohne sich deren Beteuerungen anzuhören, und ging in die Suite ihres verstorbenen Bruders, um auf Jonas oder eine Nachricht von ihm zu warten. Das Flittchen mit dem verquollenen Gesicht, das da unten zwischen Karotten und Kartoffeln hockte, hatte keine Ahnung, aber jetzt gingen deren Worte
    (Ihr werdet Sai Jonas nicht wiedersehen)
    Coral nicht mehr aus dem Kopf; sie hallten wider und wollten nicht mehr verstummen.
     
     
    2
     
    Zwölf Uhr schlug es von dem gedrungenen Glockenturm auf der Stadthalle. Und wenn die ungewohnte Stille, die über dem Rest von Hambry lag, seltsam wirkte, als der Morgen dieses Erntefestes in den Nachmittag überging, dann war die Stille im Traveller’s Rest regelrecht unheimlich. Mehr als zweihundert Seelen, die alle heftig tranken, drängten sich unter dem toten Blick des Wildfangs, und doch war kaum ein Laut zu hören, abgesehen von schlurfenden Füßen und dem ungeduldigen Pochen von Gläsern auf dem Tresen, mit dem angezeigt werden sollte, dass ein weiteres Getränk gewünscht sei.
    Sheb hatte zögernd eine Melodie auf dem Klavier angestimmt – »Big Bottle Boogie«, das gefiel jedem –, worauf ein Cowboy mit einem Mutiemal auf einer Wange ihm die Spitze seines Messers ins Ohr gesteckt und ihm gesagt hatte, er solle mit diesem Lärm aufhören, wenn er das, was bei ihm als Gehirn gelte, auf der Steuerbordseite seines Trommelfells behalten wolle. Sheb, der gern noch tausend Jahre geatmet hätte, wenn es den Göttern gefiel, hörte sofort auf, Klavier zu spielen, und ging zur Bar, wo er Stanley und Pettie dem Trampel half, den Fusel auszuschenken.
    Die Stimmung der Zecher war verwirrt und gedrückt. Man hatte sie um den Erntejahrmarkt gebracht, und sie wussten nicht, was sie jetzt machen sollten. Das Freudenfeuer würde stattfinden, und es gab jede Menge Strohpuppen zum Verbrennen, aber es gab heute keine Ernteküsse, und heute Abend würde kein Tanz stattfinden; keine Rätsel, keine Wettrennen, kein Schweineringen, kein Scherzen… keine gute Laune, verdammt noch mal! Kein herzliches Lebewohl am Ende des Jahres! Statt Freude hatte es Morde im Dunkel gegeben, die Schuldigen waren entkommen, und nun blieb ihnen nur noch die Hoffnung auf Vergeltung anstelle der Gewissheit. Diese Leute, verdrossen, betrunken und in der Lage, so gefährlich wie

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