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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Torbogen ab, blieb einfach stehen und fragte sich, was er als Nächstes tun solle. Dass sie hierher gekommen waren, daran zweifelte er nicht – Pylon, Susans Pferd, und das Pferd des bösen Sargjägers waren nebeneinander im Schatten angebunden worden, senkten von Zeit zu Zeit den Kopf und schnaubten in den Trog aus rosa Stein, der an der meerwärts gelegenen Seite des Hofs verlief.
    Was sollte er jetzt tun? Die Reiter, die unter dem Torbogen kamen und gingen (überwiegend weißhaarige vaqs, die wegen ihres Alters für Lengylls Trupp offenbar nicht infrage gekommen waren), schenkten dem Saloonjungen und dessen Esel keine Beachtung, aber bei Miguel konnte das anders sein. Der alte mozo hatte ihn nie leiden können und verhielt sich ihm gegenüber immer, als glaubte er, Sheemie würde ständig etwas klauen, wenn sich ihm nur die Gelegenheit dazu bot. Wenn Miguel den Handlanger von Coral nun im Hof herumlungern sähe, würde er ihn bestimmt wegjagen.
    Nein, das wird er nicht, dachte Sheemie grimmig. Nicht heute, heute darf ich mich nicht von ihm rumkommandieren lassen. Ich werde nicht mal gehen, wenn er mich anbrüllt.
    Aber wenn der alte Mann brüllte und Alarm gab, was dann? Dann kam möglicherweise der böse Sargjäger und tötete ihn. Sheemie hatte zwar den Punkt erreicht, wo er bereit war, für seine Freunde zu sterben, aber nicht sinnlos.
    Und so stand er im kalten Sonnenschein, trat unentschlossen von einem Fuß auf den anderen und wünschte sich, er wäre klüger und könnte sich einen Plan ausdenken. Auf diese Weise verging erst eine Stunde, dann eine zweite. Die Zeit verging langsam, jeder Augenblick eine Übung in dem Gefühl, ein Versager zu sein. Er spürte, wie jede Möglichkeit verrann, Susan-Sai zu helfen, wusste aber nicht, was er dagegen unternehmen sollte. Einmal hörte er so etwas wie Donner aus dem Westen… aber an einem strahlenden Herbsttag wie diesem schien Donner nicht richtig zu sein.
    Er hatte gerade beschlossen, sein Glück doch im Innenhof zu versuchen – der vorübergehend menschenleer war, sodass es ihm vielleicht gelingen würde, bis zum Hauptgebäude vorzudringen –, als genau der Mann, den er so gefürchtet hatte, aus den Stallungen gestolpert kam.
    Miguel Torres war mit Ernteamuletten behängt und schien ziemlich betrunken zu sein. Er näherte sich der Mitte des Innenhofs mit schwankenden Schritten und fliegendem weißem Haar und hatte die Schnur seines sombreros verzwirbelt um den dünnen Hals. Die Vorderseite seiner chibosa war nass, als hätte er versucht zu pinkeln, ohne daran zu denken, dass man vorher seinen Pillermann rausholen musste. In einer Hand hielt er einen kleinen Keramikkrug. Seine Augen blickten wild und bestürzt.
    »Wer hat das getan!«, schrie Miguel. Er sah zum Nachmittagshimmel und dem Dämonenmond hinauf, der dort stand. So wenig Sheemie den alten Mann ausstehen konnte, wurde ihm doch das Herz schwer. Es brachte Unglück, den alten Dämon offen anzusehen, das brachte es. »Wer hat das getan? Ich verlange, dass du mir das sagst, Señor! Por favor!« Eine Pause, dann ein so kraftvoller Schrei, dass Miguel auf den Füßen schwankte und beinahe hingefallen wäre. Er hob die Fäuste, als wollte er eine Antwort aus dem blinzelnden Mondgesicht herausprügeln, dann ließ er sie niedergeschlagen sinken. Maisschnaps schwappte aus der Öffnung des Krugs und durchnässte ihn noch mehr. »Maricón«, murmelte er. Er torkelte zur Wand (wobei er fast über die Hinterbeine des Pferdes stolperte, das dem bösen Sargjäger gehörte) und setzte sich mit dem Rücken an die Lehmziegelmauer. Er trank gierig aus dem Krug, dann setzte er den sombrero auf und schob ihn tief in die Augen. Er stemmte den Krug und stellte ihn zurück, als wäre er schließlich doch zu schwer. Sheemie wartete, bis der Daumen des alten Mannes aus dem Griff des Krugs rutschte und seine Hand auf das Kopfsteinpflaster fiel. Er wollte sich schon in Bewegung setzen, beschloss dann aber, doch lieber noch etwas zu warten. Miguel war alt und gemein, aber Sheemie vermutete, dass Miguel auch listig sein könnte. Das waren eine Menge Leute, besonders die gemeinen.
    Er wartete, bis er Miguels staubiges Schnarchen hörte, dann führte er Capi auf den Hof und zuckte bei jedem Hufklappern des Esels zusammen. Aber Miguel regte sich nicht. Sheemie band Capi am Ende des Querholzes fest (und zuckte ein weiteres Mal zusammen, als Caprichoso die dort angebundenen Pferde mit einem unmelodischen Iah begrüßte), dann ging er

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