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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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»Herzgesundheit« nennen? Er trinkt nicht mehr, er nimmt keine Drogen mehr, er hat sich das Rauchen fast abgewöhnt, er treibt Sport. Was will man mehr?
    Trotzdem flüstert ihm eine innere Stimme etwas zu. Runter von der Hauptstraße, sagt sie. Geh nach Hause zurück. Dann hast du eine Stunde Zeit gewonnen, bis du zur Party ans andere Seeufer hinüberfahren musst. Du könntest etwas arbeiten. Vielleicht die nächste Dunkle- Turm-Geschichte anfangen; du weißt, wie sie dir auf der Seele liegt.
    Aye, das tut sie, aber er hat schon eine andere Story angefangen, und die gefällt ihm gut. Die Geschichte vom Turm wieder aufzugreifen heißt, in tiefem Wasser zu schwimmen. Vielleicht darin zu ertrinken. Während er hier an dieser Kreuzung steht, wird ihm jedoch plötzlich klar, dass er heute mit ihr anfangen wird, wenn er früher heimkommt. Er wird nicht anders können. Er wird auf das hören müssen, was er für sich manchmal als Ves’-Ka Gan, das Lied der Schildkröte (und manchmal als Susannahs Song), bezeichnet. Er wird die Story, an der er jetzt arbeitet, beiseite legen, dem sicheren Festland den Rücken kehren und wieder in jene dunklen Gewässer hinausschwimmen. Das hat er schon viermal getan, aber diesmal wird er ganz hinüberschwimmen müssen.
    Schwimmen oder ertrinken.
    »Nein«, sagt er. Er spricht laut, warum auch nicht. Hier draußen ist niemand, der ihn hören könnte. Er nimmt undeutlich das schwache Geräusch eines herannahenden Fahrzeugs wahr – oder sind’s zwei, eines auf der Route 7, eines auf der Warringtons Road? –, aber das ist alles.
    »Nein«, sagt er noch einmal. »Ich gehe spazieren, und dann gehe ich auf die Party. Heute wird nichts mehr geschrieben. Vor allem das nicht.«
    Also lässt er die Kreuzung hinter sich und geht den steilen, unübersichtlichen Hügel hinauf. Er geht auf das Geräusch des näher kommenden Dodge Caravan zu, das auch der Klang seines herannahenden Todes ist. Das Ka der rationalen Welt will seinen Tod; das der Prim will, dass er lebt und sein Lied singt. So ist’s an diesem sonnigen Nachmittag im Westen von Maine: die unwiderstehliche Kraft rast auf das unbewegliche Objekt zu, und zum ersten Mal seit dem Rückzug der Prim wendet alle Existenz, wenden alle Welten sich dem Dunklen Turm zu, der am fernen Ende des Cari-Ka No Rey – das heißt der Roten Felder von Niemand – steht. Sogar der Scharlachrote König hört mit seinem zornigen Geschrei auf. Liegt die Entscheidung doch am Dunklen Turm selbst.
    »Die Auflösung erfordert ein Opfer«, sagt King, und obwohl ihn außer den Vögeln niemand hört und er keine Ahnung hat, was dieser Satz von ihm bedeuten soll, bleibt er unbesorgt. Ständig murmelt er ja irgendwas vor sich hin; man könnte glauben, in seinem Kopf gebe es eine Höhle der Stimmen, eine voller hervorragender – aber nicht notwendigerweise intelligenter – Imitatoren.
    Er marschiert weiter, schwingt seine Hände neben seinen in Jeans steckenden Oberschenkeln, ist sich nicht bewusst, dass sein Herz die letzten Schläge
    (nicht)
    tut, dass sein Verstand die letzten Gedanken
    (nicht)
    hat und dass seine Stimmen ihre letzten delphischen Prophezeiungen
    (nicht)
    machen.
    »Ves’-Ka Gan«, sagt er und ist von diesem Klang amüsiert, fühlt sich aber auch zu ihm hingezogen. Er hat sich vorgenommen, seine Dunkler-Turm-Phantasien nicht mit unaussprechlichen Wörtern in irgendeiner erfundenen (um nicht zu sagen beschissenen) Sprache aufzumotzen – wenn er das tut, streicht sie ihm Chuck Verrill, sein New Yorker Lektor, ohnehin größtenteils heraus –, aber sein Verstand scheint sich trotzdem ständig mit solchen Wörtern und Begriffen zu füllen: Ka, Ka-Tet, Sai, Soh, Can-Toi (das stammt wenigstens aus Desperation, einem anderen seiner Bücher. Können da Tolkiens Cirith Ungol und H. P. Lovecrafts Nyarlahotep, der Große Blinde Fiedler, noch weit sein?
    King lacht kurz auf und fängt dann an, einen Song zu singen, den eine seiner Stimmen ihm geschenkt hat. Er glaubt, dass er ihn bestimmt in seinem nächsten Revolvermann-Buch, in dem er der Schildkröte endlich ihre Stimme wiedergibt, benutzen wird. »Commala-come-come«, singt er im Weitergehen, »there’s a young man with a gun. Young man lost his honey when she took it on the run.«
    Ist dieser junge Mann etwa Eddie Dean? Oder Jake Chambers?
    »Eddie«, sagt er laut. »Eddie ist der Revolvermann mit dem Schätzchen.« Er ist so tief in Gedanken versunken, dass er das Dach des blauen Dodge Caravan nicht

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