Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Liebe hielten. Jetzt hatte er einen Sohn, und er hatte eine zweite Chance bekommen, und er hatte sich verändert. Auch das Wissen, dass einer von ihnen würde sterben müssen, um den Schriftsteller zu retten – dass ihre Gemeinschaft nochmals und schon so bald verringert werden musste –, konnte ihn nicht zur Aufgabe bewegen. Aber er würde dafür sorgen, dass diesmal Roland von Gilead, nicht Jake von New York, das Opfer brachte.
Wusste der Junge, dass er hinter sein Geheimnis gekommen war? Keine Zeit, sich jetzt länger darüber Gedanken zu machen.
Roland knallte die Beifahrertür des Truckomobils zu und sah die Frau an. »Du heißt Irene?«, fragte er.
Sie nickte.
»Fahr, Irene. Stell dir vor, Fürst Bocksbein wäre mit Vergewaltigung im Sinn hinter dir her, tu’s, ich bitte dich. Die Warrington’s Road entlang. Wenn wir ihn dort nicht sehen, auf die Siebenerstraße hinaus. Tust du das?«
»Scheiße, ja!«, sagte Mrs. Tassenbaum und legte schwungvoll den Rückwärtsgang ein.
Der Motor heulte auf, aber der Pick-up rollte zunächst langsam vorwärts, als würde ihn die vor ihm liegende Aufgabe so sehr ängstigen, dass er lieber im See enden wollte. Dann ließ sie die Kupplung ganz kommen, und der alte International Harvester machte einen Satz, röhrte rückwärts die steile Zufahrt hinauf und zog dabei eine Wolke aus blauem Rauch und verbranntem Gummi hinter sich her.
Garrett McKeens Urenkel gaffte ihnen mit offen stehendem Mund nach. Er hatte keine Erinnerung daran, was sich gerade ereignet hatte, aber er war sich sicher, dass sehr viel von dem abhängen würde, was als Nächstes geschah.
Möglicherweise sogar alles.
15
Auf einmal so dringend pinkeln zu müssen war komisch, hatte Bryan Smith doch zuletzt genau das getan, bevor er den Million Dollar Campground verlassen hatte. Und nachdem er über die beschissene Steinmauer geklettert war, hat er bloß ein paar Tropfen rausgebracht, obwohl er vorher das Gefühl gehabt hatte, die Blase würde ihm gleich platzen. Bryan hofft, dass er keine Probleme mit seiner Prostata kriegen wird; Probleme mit der alten Prostata sind das Letzte, was er brauchen kann. Er hat schon genügend andere Probleme, beim haarigen alten Jesus.
Na schön, wenn er schon mal steht, kann er gleich versuchen, die Styropor-Kühlbox hinter dem Fahrersitz besser zu verstauen – die Hunde starren sie weiter mit heraushängender Zunge hechelnd an. Er bemüht sich, sie unter den Sitz zu schieben, aber das geht nicht, weil der Platz dazu nicht ganz reicht. Also droht er seinen Rottweilern stattdessen mit einem schmutzigen Zeigefinger und erklärt ihnen noch mal, dass die Kühlbox und das Fleisch darin nichts für sie ist, weil das nämlich sein Ahmdessn ist. Diesmal denkt er sogar daran, das Versprechen anzufügen, ihnen etwas Hamburgerfleisch unter ihr Trockenfutter zu mischen, wenn sie artig sind. Für Bryan Smith ist das schon ein ziemlich ausufernder Gedanke, auf die einfache Lösung aber, die Kühlbox nach vorn zu hieven und auf den freien Beifahrersitz zu stellen, kommt er nie.
»Lasst sie in Ruhe !«, ermahnt er sie nochmals und klettert dann wieder hinters Lenkrad. Er knallt die Tür zu, wirft einen kurzen Blick in den Rückspiegel, sieht nicht sehr weit hinter sich zwei alte Ladys (zuvor sind sie ihm nicht aufgefallen, weil er beim Vorbeifahren nicht unbedingt auf die Straße geachtet hat), winkt ihnen zu, was sie durch die schmutzige Heckscheibe des Caravans aber nicht wahrnehmen können, und fährt dann wieder auf die Route 7 hinaus. Im Radio wird jetzt »Gangsta Dream 19« von Owt-Ray-Juss gespielt, und Bryan dreht es lauter (wobei er wieder über den weißen Mittelstrich auf die Gegenfahrbahn gerät – er gehört zu den Leuten, die ihr Autoradio einfach nicht verstellen können, ohne es anzusehen). Rap ist das Höchste! Und Metal auch! Zu seinem Glück fehlt ihm jetzt nur noch ein Stück von Ozzie – »Crazy Train« wäre jetzt gut.
Und noch ein paar dieser Mars-Riegel.
16
Mrs. Tassenbaum kam aus der Zufahrt des Cara Laughs geschossen und röhrte gleich darauf im zweiten Gang die Turtleback Lane entlang, dass der Motor des alten Pick-ups nur so heulte (wäre ein Drehzahlmesser eingebaut gewesen, hätte die Nadel bestimmt im roten Bereich gestanden) und ein paar Werkzeuge auf dem verrosteten Blech der Ladefläche einen wilden Stepptanz aufführten.
Roland besaß die Gabe zur Fühlungnahme nur sehr eingeschränkt – im Vergleich zu Jake fast gar
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