Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
jetzt sehen konnte, dass der entgegenkommende Minivan über den rechten Seitenstreifen rumpelte und sie wahrscheinlich rammen würde.
Ganz zu schweigen davon, dass er Stephen King zwischen den beiden Fahrzeugen zerquetschen würde.
Die Beifahrertür flog auf, dann verließ der Mann namens Roland halb fallend, halb springend das Fahrerhaus.
Danach lief alles sehr, sehr schnell ab.
Kapitel II
V ES ’-K A G AN
1
Was geschah, war tödlich einfach: Rolands schlimme Hüfte ließ ihn im Stich. Er sank mit einem Schrei, in dem sich Wut, Schmerz und Verzweiflung mischten, auf die Knie. Dann verdunkelte sich für ihn das Sonnenlicht, weil Jake über ihn hinwegsetzte, ohne auch nur aus dem Tritt zu geraten. Im Fahrerhaus kläffte Oy wie wild: »Ake-Ake! Ake-Ake!«
»Jake, nein!«, rief Roland. Er sah alles mit schrecklicher Klarheit. Der Junge fasste den Schriftsteller um die Mitte, als der blaue Wagen – weder Pick-up noch Personenwagen, sondern eine Kreuzung zwischen beiden – mit röhrender, dissonanter Musik auf sie zuraste. Jake drehte King nach links und schützte ihn mit seinem Körper, sodass er es war, der nun von dem Minivan erfasst wurde. Hinter dem Revolvermann, der mit in der Erde vergrabenen blutenden Händen auf den Knien lag, kreischte die Frau aus dem Laden auf.
»JAKE, NEIN!«, brüllte Roland nochmals, aber das kam zu spät. Der Junge, den er als seinen Sohn betrachtete, verschwand unter dem blauen Fahrzeug. Der Revolvermann sah eine erhobene kleine Hand – würde sie nie vergessen –, und dann war auch sie fort. King, der erst von Jake und dann vom Gewicht des Wagens hinter Jake gerammt wurde, wurde an den Rand des Tannenwäldchens geschleudert – drei Meter vom Aufprallpunkt entfernt. Er landete auf der rechten Seite und schlug sich den Kopf so heftig an einem Felsbrocken an, dass die Baseballmütze wegflog. Dann wälzte er sich auf die Seite, als wollte er aufstehen. Vielleicht wollte er auch gar nichts; seine Augen waren schockierte Nullen.
Der Fahrer riss das Lenkrad herum, sodass der Wagen links an Roland vorbeirollte, ihn um eine Handbreit verfehlte und ihm nur Staub ins Gesicht schleuderte, statt ihn zu überfahren. Unterdessen wurde er langsamer, weil der Fahrer jetzt, wo es zu spät war, anscheinend bremste. Die Flanke des Vans schrammte den Kühlergrill des Pick-ups entlang, wodurch der Wagen noch langsamer wurde, aber er richtete trotzdem weiteren Schaden an. Bevor er ganz zum Stehen kam, fuhr er den auf dem Boden liegenden King nochmals an. Roland hörte das Knacken, mit dem ein Knochen brach. Dann folgte ein Schmerzensschrei des Schriftstellers. Und nun wusste Roland endgültig über die Schmerzen in seiner Hüfte Bescheid, nicht wahr? Sie waren nie von Gelenkstarre, zumindest nicht ausschließlich von Gelenkstarre gekommen. Sie waren Vorboten von Kings Verletzung gewesen.
Er rappelte sich auf und nahm dabei nur am Rande wahr, dass die eigenen Schmerzen wie weggeblasen waren. Er starrte Stephen Kings unnatürlich verdrehten Körper unter dem linken Vorderrad des blauen Fahrzeugs an und dachte mit unreflektierter Wildheit: Gut! Wenn hier jemand sterben muss, dann sollst du das sein! Zum Teufel mit dem Nabel von Gan, zum Teufel mit den Geschichten, die daraus hervorkommen, zum Teufel mit dem Turm, du sollst es sein, nicht mein Junge!
Der Bumbler flitzte an Roland vorbei zu der Stelle, wo Jake so hinter dem Van auf dem Rücken lag, dass bläulicher Auspuffqualm ihm in die offenen Augen geblasen wurde. Oy zögerte keinen Augenblick; er packte die Oriza-Tasche, die noch über Jakes Schulter hing, mit den Zähnen und zog den Jungen von dem Wagen weg: Zentimeter für Zentimeter, wobei seine kurzen kräftigen Beine kleine Staubwolken aufwirbelten. Aus Jakes Ohren und Mundwinkeln strömte Blut. Die Absätze seiner Kurzstiefel hinterließen eine Doppelspur im Erdreich und den dürren braunen Tannennadeln.
Roland stolperte zu Jake hinüber und sank neben ihm auf die Knie. Sein erster Gedanke war, dass Jake vielleicht doch nicht so schwer verletzt war. Die Gliedmaßen des Jungen waren gerade, allen Göttern sei Dank, und die über den Nasensattel und eine bartlose Wange verlaufende Spur bestand nicht aus Blut, wie Roland zunächst vermutet hatte, sondern aus mit Rost versetztem Öl. Er blutete aus den Ohren, ja, auch aus dem Mund, aber letztere Blutung konnte auch daher kommen, dass er sich auf die Zunge gebissen hatte oder …
»Geh und kümmere dich um den Schriftsteller«, sagte
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