Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
hinter dem Häuschen wieherte das Pferd wieder laut, als wollte es gegen dieses Übermaß an guter Laune protestieren.
»Auf meinen Podex fallen! Mann, das klingt gut! Ich hab kein blassen Schimmer nich, was mein Podex is, aber das klingt gut! Echt wahr!« Er klopfte den Schnee von Susannahs Hirschledermantel, während Roland rasch die verstreuten Sachen aufhob und wieder auf ihrem primitiven Schlitten stapelte. Auch Oy half mit, indem er mehrere Fleischpakete apportierte und auf die Ladefläche fallen ließ.
»Wirklich ein kluger kleiner Kerl!«, sagte Joe Collins bewundernd.
»Er ist ein guter Reisegefährte«, stimmte Susannah zu. Sie war jetzt sehr froh, dass sie Halt gemacht hatten; sie hätte die Bekanntschaft dieses gutmütigen alten Mannes um nichts in der Welt missen wollen. Sie streckte ihm ihre in dem unförmigen Handschuh steckende Rechte hin. »Ich bin Susannah Dean – Susannah von New York. Tochter des Dan.«
Er ergriff ihre Rechte und schüttelte sie. Er trug keine Handschuhe, und obwohl seine Finger von Arthritis verkrümmt waren, war sein Händedruck kräftig. »New York, was? Nun, da komme ich ursprünglich auch her. Auch aus Akron, Ohio, und San Francisco. Sohn des Henry und der Flora, wenn ihr’s wissen wollt.«
»Sie sind von der Amerika-Seite?«, fragte Susannah.
»O Gott, ja, aber das ist lange, lange Zeit her«, antwortete er. »Was ihr vermutlich delah nennen würdet.« Sein gesundes Auge funkelte; das schlimme Auge betrachtete weiter mit derselben stumpfen Interesselosigkeit die Schneewüste. Er wandte sich an Roland. »Und wer sind Sie wohl, mein Freund? Denn ich nenne Sie meinen Freund, wie ich’s bei jedem tun würde, solange er sich nich als das Gegenteil erweist, worauf ich ihm mit Bessie, wie ich meinen Stock nenne, zu Leibe rücken würde.«
Roland grinste. Er kann wohl nicht anders, dachte Susannah. »Roland Deschain von Gilead. Sohn des Steven.«
»Gilead! Gilead!« Collins’ gesundes Auge wurde vor Staunen ganz rund. »Das ist ein Name aus der Vergangenheit, was? Einer aus den Geschichtsbüchern! Heiliger Strohsack, Sie müssen älter als der liebe Gott sein!«
»Das würden manche sagen«, stimmte Roland lächelnd zu.
»Und der kleine Bursche?«, fragte er und beugte sich nach vorn. Aus seiner Tasche holte Collins zwei weitere Gummibonbons, einer rot, einer grün. Weihnachtsfarben, bei denen Susannah ein flüchtiges Déjà-vu-Gefühl empfand. Es streifte sie wie ein Flügelschlag und war gleich darauf wieder verschwunden. »Wie heißt du, kleiner Bursche? Was rufen sie, wenn du heimkommen sollst?«
»Er redet nicht …«
… mehr, obwohl er’s früher getan hat, hatte Susannah ergänzen wollen, aber bevor sie das konnte, sagte der Bumbler: »Oy!« Und das sagte er so aufgeweckt und nachdrücklich wie jemals in seiner Zeit mit Jake.
»Braver Junge!«, sagte Collins und ließ Oy die Gummibonbons aus der Luft schnappen. Dann streckte er seine knotige Hand aus, und Oy legte seine Pfote hinein. So schüttelten sie sich bei dieser glücklichen Begegnung an der Kreuzung von Odd’s Lane und Tower Road die Hand.
»Der Teufel soll mich holen«, sagte Roland vor sich hin.
»Das wird er uns alle, schätze ich, ob mit oder ohne Balken«, meinte Joe Collins, indem er Oys Pfote losließ. »Aber nich heut. Ich schlage vor, dass wir jetzt reingehn, wo wir’s warm haben und bei ’ner Tasse Kaffee – denn ich habe welchen, das tu ich – oder ’nem Krug Ale palavern können. Ich hab sogar etwas Eierlikör, wenn euch der lieber ist. Mir bekommt er am besten mit ’nem klitzekleinen Schuss Rum drin, aber wer weiß? Ich schmecke eigentlich schon seit über fünf Jahren nix mehr. Die Luft aus der Discordia hat mir die Geschmacksknospen und auch den Geruchssinn ruiniert. Also, was sagt ihr?« Er betrachtete sie erwartungsvoll.
»Das klingt meiner Meinung nach verdammt gut«, sagte Susannah. Sie hatte selten etwas aufrichtiger gemeint.
Er schlug ihr kameradschaftlich auf die Schulter. »Eine gute Frau ist ’ne wahrhaft unbezahlbare Perle! Weiß nich, ob das von Shakespeare, aus der Bibel oder von beiden stammt, aber …«
Plötzlich wechselte der Alte das Thema.
»Arrr, Lippy, der Teufel soll das, was mal deine Augen waren, holen, was hast du hier zu suchen? Wolltest diese Leute kennen lernen, was?«
Er sprach jetzt mit dem lächerlich übertriebenen Gurren, das ausschließlich Leute zu gebrauchen schienen, die mit einem oder zwei Haustieren allein hausten. Das Pferd hatte
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