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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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auch in Großmutter Holmes’ Haus gepasst hätte, stand ein La-Z-Boy-Liegesessel neben einem Couchtisch. Auf der Tischplatte türmten sich Zeitschriften und Taschenbücher neben einer Lesebrille und einer kleinen braunen Flasche, die wohl irgendeine Medizin enthielt. In einem Regal stand ein Fernseher, auch wenn Susannah sich nicht vorstellen konnte, welchen Sender der alte Joe damit hereinbekommen wollte (Eddie und Jake hätten natürlich den Videorecorder auf dem Brett darunter erkannt). Was Susannah jedoch faszinierte – und Roland natürlich erst recht –, war das Foto an einer der Wände. Es war dort leicht schief mit Reißzwecken befestigt worden: auf eine nachlässige Weise, die (wenigstens Susannah) wie ein Sakrileg erschien.
    Ein Foto des Dunklen Turms.
    Ihr stockte der Atem. Sie hoppelte darauf zu, wobei sie die Knoten und Wülste des Flickenteppichs unter ihren Händen kaum mitbekam, und hob dann die Arme. »Roland, heb mich hoch!«
    Als er das tat, sah sie, dass sein hageres Gesicht bis auf die beiden hektisch roten Flecken auf den Wangenknochen leichenblass geworden war. Seine Augen funkelten. Der Turm erhob sich vor einem Abendhimmel, und die untergehende Sonne strahlte die Hügel hinter ihm orangerot an, beleuchtete die endlos aufsteigende Fensterspirale. Aus einigen dieser Fenster drang ein trübes, schauerliches Glimmen. Sie konnte Balkone sehen, die in jedem zweiten oder dritten Stock aus dem dunklen Mauerwerk ragten, und auf sie hinausführende massive Türen, die aber alle geschlossen waren. Sicher auch abgesperrt, daran zweifelte sie nicht. Vor dem Turm lag das Rosenfeld Can’-Ka No Rey – düster, aber auch im Schatten lieblich anzusehen. Die meisten Rosen hatten sich bei herabsinkender Dunkelheit geschlossen, aber einige wenige leuchteten noch wie schläfrige Augen hervor.
    »Joe!«, sagte sie. Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Sie fühlte sich matt und glaubte, singende Stimmen zu hören, fern und schwach. »Oh, Joe! Dieses Foto …!«
    »Aye, meine Liebe«, sagte er, hörbar über ihre Reaktion erfreut. »Das ist ein gutes Bild, stimmt’s? Darum hab ich’s ja aufgehängt. Ich hab noch andere, aber das hier ist das beste. Genau bei Sonnenuntergang, damit der Schatten wie ewiglich den Pfad des Balkens markiert. Was er in gewisser Weise tut, wie ihr beide bestimmt wisst.«
    Rolands schnelle, keuchende Atemzüge, als hätte er gerade ein Wettrennen absolviert, drangen Susannah ins Ohr, aber sie nahm sie kaum wahr. Es war nämlich nicht nur der Gegenstand dieses Bildes, der sie so ehrfürchtig staunen ließ.
    »Das ist eine Polaroidaufnahme!«
    »Nun … yar«, sagte Joe, als könnte er sich ihre Aufregung nicht recht erklären. »Stotter-Bill hätte mir wahrscheinlich auch ’nen Kodak bringen können, wenn ich einen verlangt hätte, aber wo hätte ich den Film dann jemals entwickelt gekriegt? Und als ich an ’ne Videokamera gedacht hab – weil das Ding unter dem Fernseher nämlich solche Filme abspielen kann –, war ich zu alt, um die Tour noch mal zu machen, und mein Klepper auch zu alt, um mich zu tragen. Trotzdem würde ich sie noch mal machen, wenn ich könnte, weil’s dort nämlich wunderschön ist, ein Ort voller warmherziger Geister. Ich hab die singenden Stimmen längst verstorbener Freunde gehört, auch die von Ma und Pa. Ich wollt immer …«
    Eine Lähmung hatte Roland erfasst. Er spürte sie in jeder Muskelfaser. Dann durchbrach er sie und wandte sich so rasch von dem Bild ab, dass es Susannah dabei fast schwindlig wurde. »Ihr wart dort?«, fragte er. »Ihr wart am Schwarzen Turm?«
    »Klar war ich das«, sagte der Alte. »Wer, glaubt ihr, hat dieses Foto sonst gemacht? Der blöde Ansel Adams etwa?«
    »Wann habt Ihr’s gemacht?«
    »Das ist von meinem letzten Ausflug dorthin«, antwortete Joe. »Vor zwei Jahren, im Sommer – allerdings liegt das Land dort tiefer, müsst ihr wissen, und wenn dort jemals Schnee fällt, hab ich ihn nie gesehen.«
    »Wie weit von hier?«
    Joe kniff sein schlimmes Auge zusammen und rechnete nach. Zwar brauchte er dafür nicht lange, aber Roland und Susannah erschien diese Zeit lang, sehr lang. Draußen wehte der Wind in Stößen. Die alte Stute wieherte, als wollte sie nun gegen dieses Geräusch protestieren. Vor dem Wohnzimmerfenster mit den Eisblumen auf den Scheiben begann der fallende Schnee zu wirbeln und zu tanzen.
    »Also«, sagte Joe schließlich, »ihr seid jetzt in Richtung Tiefland unterwegs, und Stotter-Bill räumt

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