Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
glaube, dass der Rote König nicht gern im Fernsehen ist«, erklärte Bill ihnen. »Vor allem nicht, wenn er Besuch erwartet. Möchtet ihr nicht noch ein Sandwich? Es gibt reichlich, kann ich euch versichern. Nein? Vielleicht etwas Suppe? Was ist mit dir, Patrick? Du bist wirklich zu dünn – viel, viel zu dünn.«
Patrick drehte seinen Block um und zeigte ihnen ein Bild, auf dem Bill sich mit einem Teller mit appetitlich angerichteten Sandwiches in einer Hand und einer Kanne Eistee in der anderen vor Susannah verbeugte. Obwohl auch diese wie alle Zeichnungen Patricks weit über eine Karikatur hinausging, war sie in geradezu unheimlichem Tempo entstanden. Susannah klatschte Beifall. Roland nickte ihm lächelnd zu. Patrick grinste und hielt dabei die Zähne geschlossen, damit die anderen nicht das dunkle Loch dahinter zu sehen bekamen. Dann blätterte er um und nahm ein neues Blatt in Angriff.
»Hinter dem Gebäude steht eine ganze Flotte von Fahrzeugen«, sagte Bill, »und obwohl viele nicht mehr funktionieren, sind einige noch fahrbereit. Ich kann euch einen Pick-up mit Allradantrieb geben, und auch wenn ich nicht dafür garantieren kann, dass er einwandfrei läuft, glaube ich, dass er euch zum Dunklen Turm bringen kann, der nicht weiter als hundertzwanzig Räder von hier entfernt ist.«
Susannah spürte, wie ihr Magen sich gewaltig flatternd hob und senkte. Hundertzwanzig Räder waren hundert Meilen, vielleicht sogar etwas weniger. Sie waren dem Dunklen Turm wirklich nahe. So nahe, dass es schon beängstigend war.
»Ihr würdet den Turm nicht nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wollen«, fuhr Bill fort. »Zumindest würde ich wegen des neuen Bewohners davon abraten. Aber was bedeutet ein weiteres Nachtlager am Straßenrand für große Reisende wie euch schon? Nicht viel, würde ich sagen! Aber selbst wenn ihr noch einmal übernachtet (und keine Pannen habt, die immer möglich sind, wie die Götter wissen), müsstet ihr euer Ziel morgen am frühen Vormittag in Sicht haben.«
Roland dachte lange und sorgfältig darüber nach. Susannah musste sich zum Atmen zwingen, während er das tat, weil ein Teil ihres Ichs ständig die Luft anhalten wollte.
Ich bin noch nicht bereit, dachte dieser Teil. Und es gab noch einen tieferen Teil – der sich an jedes Detail eines wiederholt auftretenden (und sich wandelnden) Traums erinnerte –, der etwas anderes dachte: Ich bin nicht dazu bestimmt, dort hinzukommen. Jedenfalls nicht ganz bis ans Ziel.
Schließlich sagte Roland: »Ich danke dir, Bill – wir alle sagen dir unseren Dank, dessen bin ich sicher –, aber ich glaube, wir werden dein freundliches Angebot ausschlagen. Würdest du mich nach dem Grund dafür fragen, müsste ich passen. Ich weiß nur, dass mir irgendwie so ist, als ob morgen noch zu früh wäre. Dass wir irgendwie auch noch die restliche Wegstrecke zu Fuß zurücklegen sollten.« Er atmete tief durch. »Ich bin noch nicht bereit, dort zu sein. Noch nicht ganz.«
Du also auch, dachte Susannah rätselnd. Du also auch.
»Ich brauche etwas mehr Zeit, um Kopf und Herz vorzubereiten. Vielleicht auch meine Seele.« Aus der Hüfttasche zog er die Fotokopie des Gedichts von Robert Browning, die für sie in Dandelos Medizinschrank zurückgelassen worden war. »Hier drin steht etwas darüber, dass man sich an alte Zeiten erinnern soll, bevor man in den letzten Kampf … ins letzte Gefecht zieht. Das ist gut ausgedrückt. Und vielleicht brauche ich wirklich das, wovon dieser Dichter spricht: ›Wie Wein der Krieger fordert vor dem Streiten, rief ich nach einem Trunke froh’rer Zeiten‹. Ich weiß es nicht. Aber wenn Susannah nichts dagegen hat, gehen wir lieber zu Fuß.«
»Susannah hat nichts dagegen«, sagte sie ruhig. »Susannah hält das für die beste Lösung. Susannah gefällt’s nur nicht, wie ein abgebrochener Auspuff nachgeschleppt zu werden.«
Roland bedachte sie mit einem dankbaren (wenn auch etwas geistesabwesenden) Lächeln – er schien sich in den letzten Tagen irgendwie von ihr entfernt zu haben – und wandte sich wieder an Bill. »Hast du wohl einen kleinen Wagen, den ich ziehen könnte? Wir müssen nämlich etwas Gunna mitnehmen … und Patrick ist auch zu bedenken. Er wird immer wieder ein Stück fahren müssen.«
Patrick reagierte empört. Er winkelte den rechten Arm an, machte eine Faust und ließ seine Muskeln spielen. Das Ergebnis – eine winzige Ausbuchtung am Bizeps seines Zeichenarms – schien ihn zu beschämen, jedenfalls
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