Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
oder?«
»Machst du mir das mit den Stimmen vor? Die du in deinem Kopf hörst? Die dich um zwei Uhr morgens wecken?«
Eddie wirkt fast schockiert. »Wie kannst du das wissen?«
»Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie dir eines Tages.« Wenn ich sie noch weiß, denkt sie.
»Es sind nicht nur die Stimmen.«
»Nein?«
»Nein. Ich träume von dir. Und das nun schon seit Monaten. Ich habe auf dich gewartet. Hör zu, wir kennen uns ja gar nicht … das Ganze ist verrückt … Ähm, hast du überhaupt eine Bleibe? Du hast keine, stimmt’s?«
Sie schüttelt den Kopf. Indem sie John Wayne (oder vielleicht Blaine den Mono) passabel imitiert, sagt sie: »Ich bin fremd in Dodge, Pilger.«
Ihr Herz schlägt langsam und schwer in ihrer Brust, aber sie empfindet aufsteigende Freude. Diese Sache wird gut gehen. Sie weiß nicht, woher sie das wissen kann, aber ja, alles wird bestens werden. Diesmal arbeitet das Ka zu ihren Gunsten, und die Macht des Ka ist gewaltig. Das weiß sie aus Erfahrung.
»Würde ich fragen, woher ich dich kenne … oder weiß, woher du kommst …« Er macht eine Pause, sieht sie ruhig an und bringt dann den Satz zu Ende. »Oder wie es möglich ist, dass ich dich bereits lieben kann …«
Susannah lächelt. Es ist schön, wieder zu lächeln, und jetzt tut ihr ja auch die eine Gesichtshälfte nicht mehr weh, weil etwas, das einmal dort war (vielleicht irgendeine Art Narbe – sie kann sich nicht genau erinnern), nun fort ist. »Schätzchen«, sagt sie zu ihm, »wie ich schon gesagt habe, das ist eine lange Geschichte. Im Lauf der Zeit wirst du einiges davon erfahren … soweit ich mich dann noch daran erinnern kann. Außerdem könnte es sein, dass wir noch etwas zu arbeiten haben. Für ein Unternehmen, das Tet Corporation heißt.« Sie sieht sich um, dann fragt sie: »Welches Jahr haben wir?«
»1987«, sagt er.
»Und du wohnst drüben in Brooklyn? Oder vielleicht in der Bronx?«
Der junge Mann, den Träume und zankende Stimmen hierher geführt haben – mit einem Becher Schokolade in der Hand und einer Mütze mit den aufgestickten Worten FRÖHLICHE WEIHNACHT in der Hüfttasche –, bricht in schallend lautes Gelächter aus. »Gott, nein! Ich bin aus White Plains! Ich bin mit meinem Bruder mit dem Zug hergekommen. Er steht gleich dort drüben. Er wollte sich die Eisbären genauer ansehen.«
Der Bruder. Henry. Der große Weise und bedeutende Junkie. Ihre Stimmung sinkt.
»Ich möchte euch bekannt machen«, sagt er.
»Nein, wirklich, ich …«
»He, wenn wir Freunde sein wollen, musst du dich auch mit meinem kleinen Bruder anfreunden. Wir haben nämlich ein ziemlich enges Verhältnis zueinander. Jake! He, Jake!«
Der Junge, der unten an dem Geländer steht, welches das vertiefte Eisbärengehege vom Rest des Parks abtrennt, ist ihr bisher nicht aufgefallen, aber jetzt dreht er sich um, und ihr Herz macht einen schwindelerregenden Freudensprung. Jake winkt und kommt dann auf sie zugeschlendert.
»Jake hat übrigens auch von dir geträumt«, erzählt Eddie ihr. »Nur deshalb weiß ich ja, dass ich nicht verrückt sein kann. Wenigstens nicht verrückter als sonst.«
Sie ergreift seine Hand – diese vertraute, vielgeliebte Hand. Und als seine Finger ihre bedecken, glaubt sie, vor Freude sterben zu müssen. Sie wird viele Fragen haben – und die beiden auch an sie –, aber im Augenblick erscheint ihr nur eine wichtig. Während der Schnee dichter zu fallen beginnt und auf seinem Haar und seinen Wimpern und den Schultern seines Sweatshirts landet, stellt Susannah sie.
»Jake und du – wie heißt ihr mit Nachnamen?«
»Toren«, sagt er. »Das ist ein deutscher Name.«
Bevor einer der beiden mehr sagen kann, stößt Jake zu ihnen. Und werde ich euch erzählen, dass diese drei glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Ende lebten? Das werde ich nicht tun, weil das nämlich niemand tut. Aber es gab Glück.
Und natürlich lebten sie.
Unter dem fließenden und manchmal flüchtig sichtbaren Glammer des Balkens, der Shardik den Bären und Maturin die Schildkröte über den Dunklen Turm hinweg miteinander verbindet, lebten sie tatsächlich.
Das war alles.
Das war genug.
Wir sagen unseren Dank.
K ODA
Gefunden
Gefunden
(K ODA )
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Ich habe meine Geschichte ganz bis zu Ende erzählt und bin zufrieden. Sie war (darauf setze ich Uhr und Urkunde) von der Art, die nur ein guter Gott bis zuletzt aufheben würde: voller Ungeheuer und
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