Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Wunder und abenteuerlicher Reisen hierhin und dorthin. Ich kann jetzt aufhören, die Feder beiseite legen und meiner müden Hand etwas Ruhe gönnen (allerdings nicht für ewig; die Hand, die die Geschichten niederschreibt, hat ihren eigenen Willen und eine Art, ruhelos zu werden). Ich kann meine Augen vor Mittwelt und allem, was jenseits von Mittwelt liegt, schließen. Aber manche von euch, die die Ohren bilden, ohne die keine Erzählung einen einzigen Tag überleben kann, werden da nicht so bereitwillig mitmachen. Ihr seid die grimmig Erfolgsorientierten, die nicht glauben, dass der Weg das Ziel ist, selbst wenn man es euch noch so oft bewiesen hat. Ihr seid die Unglücklichen, die körperliche Liebe mit dem kümmerlichen Ejakulieren verwechseln, das das Ende des Liebesakts bezeichnet (schließlich ist der Orgasmus Gottes Art, uns mitzuteilen, dass wir fertig sind, zumindest vorläufig, und nun richtig schlafen gehen sollten). Ihr seid die Gefühllosen, die die Grauen Häfen leugnen, in denen müde Romanfiguren Ruhe finden. Ihr sagt, dass ihr wissen wollt, wie alles ausgeht. Ihr sagt, dass ihr Roland in den Turm folgen wollt; ihr sagt, dass ihr dafür bezahlt habt, dass dies die Schau ist, die ihr zu sehen gekommen seid.
Ich hoffe, dass die meisten von euch es besser wissen. Besser wollen. Ich hoffe, dass ihr gekommen seid, um die Geschichte zu hören – nicht nur, um euch durch die Seiten bis zum Ende vorzuarbeiten. Wer ein Ende will, braucht nur die letzte Seite aufzuschlagen und lesen, was dort geschrieben steht. Aber Enden sind herzlos. Ein Ende ist eine geschlossene Tür, die kein Mensch (oder Manni) öffnen kann. Ich habe viele geschrieben, aber die meisten nur aus dem Grund, aus dem ich morgens eine Hose anziehe, bevor ich das Schlafzimmer verlasse – weil es hierzulande so Sitte ist.
Und daher, meine lieben treuen Leser, sage ich euch Folgendes: Ihr könnt hier aufhören. Ihr könnt eure letzte Erinnerung die an Eddie, Susannah und Jake sein lassen, die im Central Park erstmals wieder zusammen sind und einen Schulchor »What Child Is This« singen hören. Ihr könnt euch mit dem Wissen zufrieden geben, dass früher oder später auch Oy (vermutlich eine Hundeversion mit langem Hals, seltsam goldgeränderten Augen und einem Kläffen, das auf unheimliche Weise wie gesprochene Worte klingt) auf der Bildfläche erscheinen wird. Das ist eine hübsche Vorstellung, oder nicht? Ich meine schon. Und auch der Vorstellung von einem glücklichen, zufriedenen Leben ziemlich nahe. Für einen staatlichen Auftrag ausreichend, wie Eddie sagen würde.
Solltet ihr weiterlesen, werdet ihr bestimmt enttäuscht, vielleicht sogar untröstlich sein. Ich habe noch einen Schlüssel an meinem Gürtel hängen, aber der sperrt nur die letzte Tür auf, die mit den Symbolen. Was dahinter liegt, verbessert euer Liebesleben nicht, lässt auf der kahlen Stelle am Hinterkopf kein neues Haar wachsen und verlängert eure Lebenserwartung nicht um fünf Jahre (nicht einmal um fünf Minuten). Ein Happyend gibt es nicht. Ich habe nie eines erlebt, das ein Gegenstück zu »Es war einmal« sein könnte.
Enden sind herzlos.
Ende ist nur ein anderes Wort für Leb wohl.
2
Wollt ihr trotzdem?
Nun gut, dann kommt mit. (Hört ihr mich seufzen?) Hier ist der Dunkle Turm am Ende der Endwelt. Seht ihn, ich bitte euch.
Seht ihn sehr wohl. Hier ist der Dunkle Turm bei Sonnenuntergang.
3
Roland erreichte ihn mit dem merkwürdigsten Gefühl des Wiedererkennens; mit etwas, was Susannah und Eddie als Déjà-vu-Gefühl bezeichnet hätten.
Die Rosen auf dem Can’-Ka No Rey wichen vor ihm zurück, sodass ein Pfad zum Dunklen Turm entstand, und die gelben Sonnen tief in ihren Blüten schienen ihn wie Augen zu beobachten. Und während er auf diesen dunkelgrauen Rundturm zuschritt, begann Roland zu spüren, wie er der Welt, wie er sie stets gekannt hatte, zu entgleiten begann. Er rief die Namen seiner Freunde und Geliebten, wie er’s sich immer vorgenommen hatte; rief sie in der Abenddämmerung mit lauter, volltönender Stimme, weil er nun keine Kräfte mehr aufzusparen brauchte, um gegen die Verlockung des Turms anzukämpfen. Ihr – endlich – nachgeben zu können war die größte Erleichterung seines Lebens.
Er rief die Namen seiner compadres und amoras, und obwohl jeder aus tiefstem Herzen kam, schienen alle immer weniger mit dem Rest seines Ichs zu tun zu haben. Seine Stimme rollte zum dunkler werdenden roten Horizont davon,
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