Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
erfüllten seinen Kopf, und dann brach das ewige Dunkel herein. In Walters Fall würde diese Ewigkeit nicht lange dauern, aber wenn Zeit etwas Subjektives ist (und die meisten von uns wissen, dass sie das ist), dann war sie viel zu lang.
Gib sie mir, sage ich! Kein Herumtrödeln mehr! Ich sein hongrig!
Walter o’ Dim – jetzt Walter o’ Dark – drehte die Hände um und ließ die Augäpfel fallen. Beim Hinabfallen zogen sie Fäden hinter sich her und erinnerten auf diese Weise etwas an Kaulquappen. Einen schnappte die Spinne sich aus der Luft. Der andere platschte auf die Fliesen, wo die überraschend bewegliche Kralle am Ende eines Vorderbeins ihn einsammelte, um ihn anschließend in den Rachen der Spinne zu stecken. Mordred zerdrückte den Augapfel wie eine Weinbeere, schluckte ihn aber nicht, sondern ließ sich den köstlichen Schleim die Kehle hinunterlaufen. Wundervoll.
Jetzt die Zunge, bitte.
Walter packte sie gehorsam mit einer Hand und zog daran, konnte sie aber nur teilweise losreißen. Letztlich war sie zu glitschig. Wären die blutigen Höhlen, in denen zuvor noch die Augen gesessen hatten, noch imstande gewesen, Tränen zu produzieren, hätte er vor Höllenqualen und Frustration geweint.
Er griff nochmals danach, aber in ihrer Gier wollte die Spinne nicht länger warten.
Beug dich nach vorn! Streck die Zunge wie am Fötzchen deiner Liebsten aus. Schnell, um deines Vaters willen! Mordred sein hongrig!
Auch gegen diesen neuen Horror kämpfte Walter, der noch allzu gut wahrnahm, was mit ihm geschah, so erfolglos wie gegen den vorigen an. Er beugte sie mit auf den Oberschenkeln liegenden Händen nach vorn, und seine blutende Zunge ragte schief zwischen den Lippen hervor, wo sie kraftlos zitterte, während ihre teilweise gerissene Muskulatur sie zu stützen versuchte. Er hörte wieder die Kratzgeräusche, als Mordreds Vorderbeine sich an Walters Jeans hinaufarbeiteten. Der behaarte Rachen der Spinne schloss sich um Walters Zunge, saugte ein, zwei Sekunden genüsslich daran wie an einem Lutscher und riss sie dann mit einem einzigen kräftigen Ruck heraus. Walter – jetzt nicht nur blind, sondern auch stumm – gab einen erstickten Schmerzensschrei von sich, fiel nach vorn, schlug die Hände vors entstellte Gesicht und wälzte sich auf den Fliesen hin und her.
Mordred biss auf die Zunge, die er nun im Maul hatte. Sie platzte mit einem wollüstigen Blutschauer, der für einen Augenblick alles Denken blockierte. Walter hatte sich auf die Seite gewälzt und tastete blindlings nach der Falltür, weil eine innere Stimme ihm weiter zurief, nicht aufzugeben, sondern weiterhin zu versuchen, dem Ungeheuer zu entkommen, das ihn bei lebendigem Leib auffraß.
Der Blutgeschmack bewirkte, dass Mordred alles Interesse an irgendwelchen Vorspielen verlor. Er war auf den Kern seines Wesens reduziert, das hauptsächlich vom Ernährungstrieb gesteuert wurde. Er stürzte sich auf Randall Flagg, Walter o’ Dim, Walter Padick, der einst gewesen war. Es gab noch einige Schreie, aber nicht mehr viele. Und dann war Rolands alter Feind nicht mehr.
6
Der Mann war quasi unsterblich gewesen (ein mindestens so törichter Ausdruck wie »höchst einzigartig«) und ergab ein sagenhaftes Mahl. Nachdem Mordred sich derart vollgestopft hatte, spürte er zunächst den Drang – stark, jedoch nicht ganz unüberwindbar –, sich zu übergeben. Er beherrschte ihn ebenso wie den zweiten, der noch stärker war: sich in seine Babygestalt zurückzuverwandeln, um zu schlafen.
Wollte er die Tür finden, von der Walter gesprochen hatte, war jetzt der beste Zeitpunkt dafür – und zwar in einer Gestalt, die es ihm ermöglichte, ein gutes Tempo vorzulegen: seiner Spinnengestalt. Ohne die leer gesaugte Leiche eines Blickes zu würdigen, hastete Mordred flink an ihr vorbei durch die Falltür und weiter die Treppe hinunter, die zu einem unterirdischen Gang führte. Dieser Korridor, in dem es stark alkalisch roch, schien aus dem gewachsenen Wüstenfels herausgehauen worden zu sein.
Walters gesamtes Wissen – in mindestens fünfzehnhundert Jahren angesammelt – lärmte in seinem Gehirn.
Die Fährte des Mannes in Schwarz führte schließlich zu einem Aufzugschacht. Mordred drückte mit einer borstigen Kralle den Knopf mit dem Wort AUF, was aber nichts als ein müdes Summen hoch über ihm hervorrief und den Geruch nach verbranntem Schuhleder, der hinter der Schalttafel hervordrang. Er kletterte die Innenwand der Kabine hinauf,
Weitere Kostenlose Bücher