Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
nur in die Nähe kommen, Jack, das weißt du. Die Alarmanlage geht los, wenn auch nur eine Taube furzt.«
»Aber…«
»Und selbst wenn es ihnen irgendwie gelungen sein sollte, uns eine Falle zu stellen, wir haben so viele Leute in ihrer Organisation, daß wir binnen drei Tagen fünfzehn Löcher in ihren Fall bohren könnten. Wir wüßten wer, wann und wo.«
Balazar sah wieder zu Eddie.
»Eddie«, sagte er, »du hast fünfzehn Sekunden Zeit, mit dem Scheiß aufzuhören. Danach werde ich ‘Cimi Dretto hereinrufen, damit er dich in die Mangel nimmt. Und wenn er dich eine Weile in der Mangel gehabt hat, wird er wieder gehen, und du wirst hören, wie er im Nebenzimmer deinen Bruder in die Mangel nimmt.«
Eddie erstarrte.
Sachte, murmelte der Revolvermann und dachte: Man muß nur den Namen seines Bruders erwähnen, wenn man ihm weh tun will. Das ist, als würde man mit einem Stock in einer offenen Wunde stochern.
»Ich werde jetzt in Ihr Badezimmer gehen«, sagte Eddie. Er deutete auf eine Tür in der gegenüberliegenden linken Ecke des Zimmers, eine so unauffällige Tür, daß man sie fast für einen Teil der Wandtäfelung hätte halten können. »Ich gehe allein hinein. Und dann werde ich mit einem Pfund Ihres Kokains wieder herauskommen. Die halbe Lieferung. Sie probieren sie. Dann bringen Sie Henry herein, damit ich ihn ansehen kann. Wenn ich ihn sehe und feststelle, daß er okay ist, geben Sie ihm unsere Ware und lassen ihn von einem Ihrer Jungs nach Hause fahren. Während das geschieht, können ich und…« Roland, hätte er fast gesagt, »…ich und Ihre restlichen Leute, die hier sind, wie wir beide sehr genau wissen, Ihnen dabei zusehen, wie Sie dieses Ding bauen. Wenn Henry daheim und in Sicherheit ist – was bedeutet, daß niemand mit einer Pistole an seinem Ohr neben ihm steht –, wird er anrufen und mir ein bestimmtes Wort sagen. Das haben wir ausgemacht, bevor ich gegangen bin. Für alle Fälle.«
Der Revolvermann prüfte in Eddies Verstand, ob das die Wahrheit war oder nur ein Bluff. Es stimmte, jedenfalls dachte Eddie das. Roland sah, daß Eddie wirklich davon überzeugt war, sein Bruder würde eher sterben, als dieses Wort unrechtmäßig aussprechen. Der Revolvermann war da nicht so sicher.
»Du scheinst zu denken, ich glaube an den Weihnachtsmann«, sagte Balazar.
»Ich weiß, daß Sie das nicht tun.«
»Claudio. Durchsuche ihn. Jack, du gehst in mein Bad und durchsuchst das. Alles.«
»Gibt es dort drinnen eine Stelle, von der ich nichts weiß?« fragte Andolini.
Balazar überlegte eine Weile und studierte Andolini gründlich mit seinen dunkelbraunen Augen. »An der Rückwand des Medizinschränkchens ist eine Klappe«, sagte er. »Dahinter bewahre ich einige persönliche Dinge auf. Es ist nicht groß genug, daß man ein Pfund Stoff darin verstecken könnte, aber vielleicht solltest du trotzdem besser nachsehen.«
Jack entfernte sich, und als er die Kammer betrat, sah der Revolvermann dasselbe kalte weiße Licht aufflackern, welches die Kammer der Himmelskutsche erleuchtet hatte. Dann wurde die Tür zugemacht.
Balazars Blick fiel wieder auf Eddie.
»Warum erzählst du nur so verrückte Lügen?« fragte er fast traurig. »Ich habe dich für klug gehalten.«
»Sehen Sie mir ins Gesicht«, sagte Eddie leise. »Und sagen Sie mir, daß ich lüge.«
Balazar tat, was Eddie verlangt hatte. Er sah lange Zeit hin. Dann wandte er sich ab, und er hatte die Hände so tief in die Hosentaschen gesteckt, daß sich die Furche seines Bauernarschs ein wenig abzeichnete. Sein Gehabe drückte Traurigkeit aus – Traurigkeit über einen schlechten Sohn –, aber bevor er sich abwandte, hatte Roland einen Ausdruck auf Balazars Gesicht gesehen, der nicht traurig gewesen war. Was Balazar in Eddies Gesicht gesehen hatte, hatte ihn nicht traurig gemacht, sondern durch und durch verwirrt.
»Zieh dich aus«, sagte Claudio, und jetzt richtete er seine Pistole auf Eddie.
Eddie fing an, seine Kleidung auszuziehen.
5
Das gefällt mir nicht, dachte Balazar, während er darauf wartete, daß Jack Andolini wieder aus dem Badezimmer kam. Er hatte Angst, mit einem Mal schwitzte er nicht nur unter den Achseln oder im Schritt, Stellen, wo er selbst dann schwitzte, wenn es frostigster Winter und kälter als die Gürtelschnalle eines Brunnengräbers war, sondern überall. Eddie hatte aufgehört, wie ein Junkie auszusehen – ein kluger Junkie, aber nichtsdestotrotz ein Junkie, den man mit dem Stoff-Angelhaken
Weitere Kostenlose Bücher