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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kämpft, mit uns Schritt halten zu können. Dabei weiß er so wenig über die Welt, dass es eigentlich ein Wunder ist, dass er überhaupt noch lebt.«
    »Tut er dir Leid?«
    »Nein. Ich kann mir kein Mitleid leisten, und du kannst’s auch nicht.«
    Aber er wich ihrem Blick aus, während er das sagte, weshalb sie glaubte, dass er log. Vielleicht wollte er kein Mitleid mit Mordred haben, aber sie war sich sicher, dass er doch welches empfand, zumindest ein wenig. Vielleicht wollte er hoffen, dass Mordred bei ihrer Verfolgung umkam – dazu gab es reichlich Gelegenheit, vor allem durch Erfrieren –, aber Susannah glaubte, dass Roland nicht ganz dazu imstande war. Sie hatten dem Ka vielleicht ein Schnippchen geschlagen, aber Blut war ihrer Ansicht nach noch immer dicker als Wasser.
    Es gab da jedoch etwas anderes, was noch mächtiger als sogar Blutsbande war. Das wusste sie, weil sie es jetzt ständig in ihrem Kopf pulsieren spürte, schlafend wie wachend. Es war der Dunkle Turm. Sie vermutete, dass sie ihm bereits sehr nahe waren. Sie konnte sich noch keine Vorstellung machen, was sie mit seinem wahnsinnigen Hüter anfangen würden, sobald sie den Turm erreichten, aber sie merkte, dass ihr das jetzt egal war. Im Augenblick wollte sie ihn nur sehen. Wie es sein würde, ihn zu betreten, ging weiterhin über ihr Vorstellungsvermögen hinaus, aber ihn sehen? Ja, das konnte sie sich vorstellen. Und sie glaubte, ihn zu sehen würde auch genügen.
     
     

2
     
    Sie zogen langsam über das sanft abfallende riesige Schneefeld immer tiefer, wobei Oy abwechselnd neben Roland hertrabte und sich dann zurückfallen ließ, damit er nach Susannah sehen konnte, um sogleich mit großen Sätzen zu Roland zurückzukehren. Wolkenlöcher über ihnen ließen manchmal große Stücke Himmelsblau sehen. Roland wusste, dass dort der Balken am Werk war und die Wolkendecke stetig nach Südosten zog. Sonst war der Himmel von Horizont zu Horizont weiß und machte irgendwie einen bedrückend vollen Eindruck, was inzwischen beide so empfanden. Es würde bald wieder schneien, und der Revolvermann hatte das Gefühl, dass der nahende Sturm schlimmer als alle bisherigen werden könnte. Der Wind frischte auf, und die Feuchtigkeit, die er mitbrachte, betäubte alle unbedeckten Hautpartien (nach drei Wochen eifriger Näharbeit waren das allerdings nur Stirn und Nasenspitze). Die Windstöße wirbelten lange, durchscheinende Schneeschleier auf, die an ihnen vorbeirasten, um dann wie phantastische, ihre Gestalt verändernde Balletttänzer bergab weiterzuziehen.
    »Sind sie nicht schön?«, sagte Susannah hinter Roland fast wehmütig.
    Roland von Gilead, der nicht viel Schönheitssinn besaß (lediglich im entlegenen Mejis hatte er einmal welchen bewiesen), grunzte nur. Er wusste, was er schön gefunden hätte: einen guten Unterschlupf, sobald der Sturm sie einholte, etwas Besseres als nur ein dichtes Wäldchen. Deshalb wollte er seinen Augen auch nicht recht trauen, als der letzte Windstoß abflaute und der aufgewirbelte Schnee sich wieder setzte. Er ließ das Zuggeschirr fallen, trat heraus, ging nach hinten zu Susannah (ihre Gunna, jetzt wieder umfangreicher, waren auf dem Schlitten hinter ihr festgebunden) und ließ sich neben ihr auf ein Knie nieder. Von Kopf bis Fuß in Tierhäute gehüllt, sah sie mehr wie ein räudiger Yeti als wie ein Mensch aus.
    »Was hältst du davon?«, fragte er sie.
    Der Wind wirbelte erneut Schnee auf, mehr als zuvor, der zunächst verdeckte, was Roland gesehen hatte. Nachdem der aufgewirbelte Schnee sich gesetzt hatte, riss auch die Wolkendecke auf, sodass kurz die Sonne schien und das Schneefeld wie Myriaden von Diamantsplittern funkeln ließ. Susannah hielt sich eine Hand schützend über die Augen und sah bergab. Was sie dort erblickte, war ein in den Schnee geschnittenes umgekehrtes T. Der ihnen nähere Querstrich (der aber trotzdem mindestens zwei Meilen weit entfernt war) schien vergleichsweise kurz zu sein, auf beiden Seiten vielleicht sechzig bis siebzig Meter. Der Längsstrich jedoch war sehr lang – er erstreckte sich bis zum Horizont, um sogar noch dahinter zu verschwinden.
    »Das sind Straßen!«, sagte sie. »Dort unten hat jemand auf zwei Straßen Schnee geräumt, Roland!«
    Er nickte. »Das glaube ich auch, aber ich wollte es zur Sicherheit von dir hören. Ich sehe auch noch etwas anderes.«
    »Was denn? Deine Augen sind schärfer als meine, viel schärfer.«
    »Wenn wir näher dran sind, wirst du’s selbst

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