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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wangen und sah wie das blühende winterliche Leben aus, aber er humpelte stark und musste sich auf den kräftigen Stock stützen, den er mit der Linken hielt. Hinter seinem malerischen Häuschen mit dem wie im Märchen aufsteigenden Kaminrauch war das durchdringende Wiehern eines Pferdes zu hören.
    »Schon gut, Lippy, ich seh sie ja!«, rief der Alte in diese Richtung. »Ich hab immer noch wenigstens ein gutes Auge.« Er drehte sich wieder nach der Schneewehe um, auf der Roland zwischen Susannah und Oy stand. Er hob seinen Stock zu einem Gruß, der fröhlich und furchtlos zugleich wirkte. Roland hob seinerseits die Hand.
    »Es wird wohl ein Palaver geben, ob wir’s wollen oder nicht«, sagte Roland.
    »Ja, ich weiß«, antwortete Susannah. Dann wandte sie sich an den Bumbler: »Oy, benimm dich, verstanden?«
    Oy sah erst sie an und dann wieder zu dem Alten hinüber, ohne einen Ton von sich zu geben. Was die Benimmfrage anbetraf, wollte er seine Meinung darüber anscheinend vorläufig für sich behalten.
    Um das schlimme Bein des Alten war es offenbar sehr schlimm bestellt – »praktisch nix wert«, hätte Daddy Mose Carver gesagt –, aber mithilfe seines Stocks kam er ganz gut zurecht, indem er leicht zur Seite gedreht vorwärts hoppelte, was Susannah amüsant und bewundernswert zugleich fand. »Munter wie ’ne Grille«, war eine von Daddy Moses weiteren Redensarten, und diese passte vielleicht besser auf diesen alten Mann dort vorn. Jedenfalls sah sie keine Bedrohung und keine Gefahr in einem weißhaarigen Kerl (sein langes Haar war fein wie das eines Babys und hing bis auf die Parkakapuze herab), der an einem Stock hüpfen musste. Als er näher kam, sah sie, dass eines seiner Augen von grauem Star milchig-weiß war. Die noch schwach sichtbare Pupille schielte blicklos links an ihnen vorbei. Das andere betrachtete die Neuankömmlinge jedoch lebhaft interessiert, während der Bewohner des Häuschens die Odd’s Lane entlang auf sie zugehüpft kam.
    Das Pferd wieherte abermals, worauf der Alte seinen Stock wild vor dem weißen, niederen Himmel schwenkte. »Halts Maul, du Heukiste, du Rossbollenfabrik, du triefäugige olle Tripperfotze, du elendes Klappergestell, hast wohl noch nie Besuch gesehn? Bist wohl in ’ner Scheune geboren, wieher-wieher? (Wenn du’s nich bist, bin ich ein blauäugiger Pavian, den’s überhaupt nich gibt!)«
    Roland schnaubte ein echtes Lachen, und der letzte Rest von Susannahs wachsamer Besorgnis verflog. In dem Anbau hinter dem Haus – der nicht entfernt großartig genug war, um als Scheune bezeichnet zu werden – wieherte das Pferd noch einmal, und der Alte schwenkte wieder seinen Stock, wobei er fast auf den festgefahrenen Schnee geknallt wäre. Mit seiner unbeholfenen, aber trotzdem flinken Gangart hatte er jetzt schon die Hälfte des Wegs zu ihnen zurückgelegt. Er rettete sich vor einem bösen Sturz, indem er auf den Stock gestützt halb hüpfend, halb rutschend zum Stehen kam, und schwenkte ihn dann fröhlich in ihre Richtung.
    »Heil, Revolvermänner!«, rief der Alte. Zumindest seine Lunge funktionierte bewundernswert gut. »Revolvermänner auf Pilgerfahrt zum Dunklen Turm, das müsst ihr sein, das müsst ihr sein, denn seh ich nicht die großen Schießeisen mit den gelblichen Holzgriffen? Und der Balken ist wieder da, schön und stark, jedenfalls ich spüre ihn, und Lippy tut’s auch! Munter wie ein Fohlen, das ist sie seit Weihnachten – oder was ich Weihnachten nenn, weil ich kein Kalender hab und auch den Weihnachtsmann nich gesehn hab, womit ich aber nich rechne, weil ich doch ein braver Junge gewesen bin, oder? Niemals! Niemals! Brave Jungen kommen in den Himmel, und alle meine Freunde sind an dem anderen Ort, rösten in des Teufels Bude Marshmallows und trinken Nozzy mit Whiskey! Arrr, hört mich nur reden, mein Mundwerk ist eingerostet und läuft trotzdem wie geschmiert! Heil dem einen, heil dem andern und heil dem pelzigen kleinen Kobold dazwischen! Ein Billy-Bumbler, so wahr ich lebe und atme! Jau, ist echt schön, euch zu sehen! Joe Collins ist mein Name, Joe Collins aus der Odd’s Lane, selbst ein Kauz, einäugig und lahm, das bin ich, aber sonst zu euren Diensten!«
    Er hatte jetzt die Schneewehe erreicht, die den Punkt bezeichnete, an dem die Tower Road endete … oder begann, je nachdem, wie man das betrachtete oder in welche Richtung man unterwegs war, vermutete Susannah. Er sah zu ihnen auf, ein Auge glänzend wie das eines Vogels, das andere mit stumpfer

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