Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Lautsprechern drang. Inzwischen hätte ihr zwar jede Musik gefallen, vermutete sie, aber dennoch hatten ihr zwei Songs, die sie noch nie gehört hatte, besonders gut gefallen. Der eine war ein ausgelassen fröhlicher kleiner Rocksong mit dem Titel »She Loves You«. Der andere, traurig und nachdenklich, hieß »Hey, Jude«. Diesen schien Roland sogar zu kennen; er sang mit, obwohl sein Text dann nicht der war, der aus dem Lautsprechersystem des Schneepflugs kam. Als sie nach dem Namen der Gruppe fragte, erklärte Bill ihr, das seien die Beetles.
»Käfer? Komischer Name für eine Rock-and-Roll-Band«, meinte Susannah.
Patrick, der mit Oy auf dem kleinen Rücksitz des Schneepflugs hockte, tippte ihr auf die Schulter. Als sie sich umsah, hielt er den Block hoch, den er gerade zum Zeichnen benutzte. Unter ein Porträt, das Roland im Profil zeigte, hatte er geschrieben: BEATLES, nicht Beetles.
»Wie man’s auch buchstabiert, es bleibt ein komischer Name für eine Rock-and-Roll-Band«, sagte Susannah. Auf einmal hatte sie eine Idee. »Patrick, kannst du mit mir Fühlung aufnehmen?« Als er stirnrunzelnd die Hände hob – ich verstehe nicht, besagte diese Geste –, formulierte sie die Frage anders. »Kannst du meine Gedanken lesen?«
Er zuckte die Achseln und lächelte. Weiß ich nicht, besagte diese Geste, aber das nahm sie ihm nicht ab. Sie glaubte, dass Patrick es sehr wohl wusste.
3
Sie erreichten den »Territorialen« gegen Mittag, und dort servierte Bill ihnen erst einmal ein köstliches Mahl. Patrick verschlang seines und saß dann etwas abseits mit Oy zu seinen Füßen und zeichnete die anderen, während sie am Tisch im ehemaligen Aufenthaltsraum saßen. Die Wände dieses Raums verschwanden hinter Bildschirmen – Susannah schätzte ihre Zahl auf über dreihundert. Sie schienen für eine lange Lebensdauer konstruiert worden zu sein, jedenfalls funktionierten ein paar noch. Einige davon zeigten die sanft gewellten Hügel der näheren Umgebung, aber die meisten zeigten nur Schnee, und auf einem erschien ein sich veränderndes Wellenmuster, das ihren Magen rebellieren ließ, wenn sie es allzu lange ansah. Die Schnee-Bildschirme, sagte Bill, hatten früher Satellitenbilder gezeigt, aber die Weltraumkameras waren längst dahin. Interessanter war da der Bildschirm mit dem Wellenmuster. Nach Bills Auskunft hatte er noch bis vor wenigen Monaten den Dunklen Turm gezeigt, aber dann hatte das Bild sich plötzlich in diese Linien aufgelöst.
»Ich glaube, dass der Rote König nicht gern im Fernsehen ist«, erklärte Bill ihnen. »Vor allem nicht, wenn er Besuch erwartet. Möchtet ihr nicht noch ein Sandwich? Es gibt reichlich, kann ich euch versichern. Nein? Vielleicht etwas Suppe? Was ist mit dir, Patrick? Du bist wirklich zu dünn – viel, viel zu dünn.«
Patrick drehte seinen Block um und zeigte ihnen ein Bild, auf dem Bill sich mit einem Teller mit appetitlich angerichteten Sandwiches in einer Hand und einer Kanne Eistee in der anderen vor Susannah verbeugte. Obwohl auch diese wie alle Zeichnungen Patricks weit über eine Karikatur hinausging, war sie in geradezu unheimlichem Tempo entstanden. Susannah klatschte Beifall. Roland nickte ihm lächelnd zu. Patrick grinste und hielt dabei die Zähne geschlossen, damit die anderen nicht das dunkle Loch dahinter zu sehen bekamen. Dann blätterte er um und nahm ein neues Blatt in Angriff.
»Hinter dem Gebäude steht eine ganze Flotte von Fahrzeugen«, sagte Bill, »und obwohl viele nicht mehr funktionieren, sind einige noch fahrbereit. Ich kann euch einen Pick-up mit Allradantrieb geben, und auch wenn ich nicht dafür garantieren kann, dass er einwandfrei läuft, glaube ich, dass er euch zum Dunklen Turm bringen kann, der nicht weiter als hundertzwanzig Räder von hier entfernt ist.«
Susannah spürte, wie ihr Magen sich gewaltig flatternd hob und senkte. Hundertzwanzig Räder waren hundert Meilen, vielleicht sogar etwas weniger. Sie waren dem Dunklen Turm wirklich nahe. So nahe, dass es schon beängstigend war.
»Ihr würdet den Turm nicht nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wollen«, fuhr Bill fort. »Zumindest würde ich wegen des neuen Bewohners davon abraten. Aber was bedeutet ein weiteres Nachtlager am Straßenrand für große Reisende wie euch schon? Nicht viel, würde ich sagen! Aber selbst wenn ihr noch einmal übernachtet (und keine Pannen habt, die immer möglich sind, wie die Götter wissen), müsstet ihr euer Ziel morgen am frühen Vormittag
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