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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fortie mit einer Klaue das Gesicht zerfetzt hat. Dann habe ich noch etwas anderes gesehen, und das hat mich alles Risiko vergessen lassen. Ich habe nicht mal daran gedacht, dass ich auch sie erschießen könnte, die Ärmste, wenn die alte Flinte losginge.«
    »Ich wollte, du hättest es getan«, sagte Fortuna. »Oh, ich wollte, ich wäre tot!« Sie sank auf einen der Stühle am Tisch, schlug die Hände vors Gesicht und weinte los. Das tat zumindest ihr sichtbares Auge.
    »So darfst du niemals reden«, sagte Everlynne und streichelte über das Haar auf der nicht verbundenen Kopfhälfte. »Das ist Gotteslästerung.«
    »Habt Ihr das Ding getroffen?«, fragte ich.
    »Ein bisschen. Unsere alte Flinte verschießt Schrot, und eine der Kugeln – vielleicht auch mehrere – hat ein paar Schuppen und Warzen von seinem Schädel weggerissen. Aus der Wunde ist schwarzes, teerartiges Zeug gequollen. Wir haben es später auf dem Kopfsteinpflaster gesehen und mit Sand abgedeckt, ohne es zu berühren, weil wir Angst hatten, es könnte uns allein durch Berühren vergiften. Das grausige Ding hat sie fallen lassen, und ich glaube, dass es fast entschlossen war, nun auf mich loszugehen. Also habe ich die Flinte wieder hochgerissen, als wollte ich schießen, obwohl man solche Vorderlader nach jedem Schuss mit Pulver und Blei nachladen muss. Ich habe ihm gesagt, es solle nur kommen. Ich habe gesagt, ich würde warten, bis es dicht heran sei, damit die Schrotladung es voll erwische.« Sie räusperte sich und spuckte in den Staub. »Es muss eine Art Gehirn behalten, selbst wenn es seine menschliche Gestalt verlässt, denn es hat mich verstanden und ist geflüchtet. Aber bevor es hinter der Mauer verschwunden ist, hat es sich umgedreht und mich angestarrt. Als wollte es sich mein Gesicht einprägen. Nun, das kann es von mir aus. Ich habe keinen Schrot mehr für die Flinte und bekomme auch keines, wenn nicht zufällig ein Händler hier vorbeizieht, aber ich habe dies hier.«
    Sie zog ihren Rock bis unters Knie hoch und zeigte uns ein Fleischermesser, das außen an der rechten Wade in einer Rohlederscheide steckte.
    »Es soll sich bloß mit Everlynne, Tochter von Roseanna, anlegen!«
    »Ihr habt gesagt, Ihr hättet noch etwas anderes gesehen«, sagte ich.
    Sie betrachtete mich mit ihren glänzend schwarzen Augen, dann wandte sie sich an die Schwestern. »Clemmie, Brianna, ihr verteilt das Essen. Fortuna, du sprichst das Tischgebet – und vergiss nicht, den Herrn um Verzeihung für deine Gotteslästerung zu bitten und ihm dafür zu danken, dass dein Herz noch schlägt.«
    Everlynne packte mich am Ellbogen, zog mich durchs Tor und führte mich zu dem Brunnen, an dem die unglückliche Fortuna angegriffen worden war. Dort waren wir allein.
    »Ich habe seinen Pimmel gesehen«, sagte sie halblaut. »Er war lang und wie ein Krummsäbel geformt, hat gezuckt und war voll von dem schwarzen Zeug, das sein Blut ist … das ihm jedenfalls in dieser Gestalt sein Blut ist. Es wollte sie wie Dolores totbeißen, aye, das hätte es getan, aber es wollte sie auch besteigen. Es wollte sie besteigen, während sie starb.«
    Jamie und ich aßen mit ihnen – sogar Fortuna aß ein wenig –, dann saßen wir wieder auf, um nach Debaria zu reiten. Aber bevor wir antrabten, stand Everlynne neben meinem Pferd und sprach noch einmal vertraulich mit mir. Sie brauchte den Kopf nur wenig zu heben, um mir in die Augen sehen zu können, so groß war sie.
    »Kommt und besucht mich, sobald Ihr Euren Auftrag ausgeführt habt. Ich habe etwas für Euch.«
    »Was könnte das sein, Sai?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt ist nicht die rechte Zeit. Aber kommt hierher, sobald dieses scheußliche, gottlose Ungeheuer tot ist.« Sie ergriff meine Hand, führte sie an ihre Lippen und küsste sie. »Ich weiß, wer Ihr seid, denn lebt Eure Mutter nicht in Eurem Gesicht fort? Kommt zu mir, Roland, Sohn von Gabrielle. Versäumt es nicht.«
    Dann trat sie zurück, bevor ich noch etwas sagen konnte, und segelte durchs Tor davon.
    Die breite Hauptstraße in Debaria war zwar gepflastert, aber das Pflaster bröckelte an vielen Stellen der unbefestigten Straßenränder bereits ab und würde in nicht allzu vielen Jahren ganz verschwunden sein. Auf der Straße herrschte reger Betrieb, und der Lärm aus den Saloons ließ darauf schließen, dass das Geschäft gut lief. An den Anbindestangen sahen wir jedoch nur wenige Pferde und Maultiere stehen; in diesem Teil der Welt handelte man mit Vieh oder

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