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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihre Paddel hob, winkte er zurück. Er sah ihnen nach, bis das Boot nur noch einem verschwimmenden Trugbild über dem breiten Feuergürtel glich, den die untergehende Sonne übers Wasser legte. Dann wischte er sich die heißen Tränen aus den Augen, während er (nur mühsam) den Drang unterdrückte, sie zurückzurufen.
    Als das Boot ganz verschwunden war, belud er sich mit seiner Gunna, schlug die Richtung ein, die das Gerät angezeigt hatte, und marschierte in den Wald hinein.

Die Dunkelheit kam.  
    Anfangs schien der Mond, aber bis sein Licht den Waldboden erreichte, war es nur noch ein unzuverlässiger Schimmer … und dann verschwand auch dieser schwache Schein. Hier gab es einen Pfad, dessen war er sich sicher, aber es war sehr leicht, von ihm abzukommen. Zweimal gelang es ihm, nicht gegen einen der Bäume vor ihm zu rennen, aber nicht beim dritten Mal. Tim dachte gerade an Maerlyn und wie unwahrscheinlich es war, dass es ihn wirklich gab, als er mit der Brust voraus gegen den Stamm eines Eisenholzbaums prallte. Die Silberscheibe hielt er fest in der Hand, aber der Proviantkorb fiel zu Boden und leerte sich dabei aus.
    Jetzt muss ich auf allen vieren umhertasten. Bestimmt verliere ich, wenn ich nicht bis Tagesanbruch hierbleibe, ein paar …
    »Brauchst du Licht, Wanderer?«, fragte eine Frauenstimme.
    Tim würde sich später einreden, er habe nur leicht überrascht reagiert – denn neigen wir nicht alle dazu, unsere Erinnerungen zu schönen, um selbst besser dazustehen? –, aber die Wahrheit war etwas prosaischer: Er schrie vor lauter Panik, ließ die Metallscheibe fallen, sprang auf und war kurz davor, die Flucht zu ergreifen (ohne Rücksicht auf irgendwelche Bäume, gegen die er rennen könnte), als sein Überlebenstrieb ihn daran hinderte. Wenn er jetzt flüchtete, könnte er die am Wegesrand verstreuten Vorräte ganz vergessen. Auch die Scheibe, die er unbeschädigt zurückzubringen versprochen hatte.
    Es war die Scheibe, die gesprochen hat.
    Eine lächerliche Vorstellung, selbst eine winzige Elfe wie Armaneeta hätte nicht in dieses flache Metallgehäuse gepasst – aber war sie lächerlicher als ein Junge, der allein im Endlosen Wald unterwegs war, um einen Zauberer zu finden, der seit vielen Jahrhunderten tot sein musste? Der, selbst wenn er noch lebte, vermutlich Tausende von Rädern nördlich von hier in jenem Teil der Welt hauste, in dem der Schnee niemals schmolz?
    Er hielt Ausschau nach einem grünen Licht, konnte aber nirgends eines sehen. Mit immer noch hämmerndem Herzen ließ Tim sich auf die Knie nieder. Er suchte den Waldboden ab, ertastete in Blätter gewickelte Fleischpopkins, entdeckte das Körbchen mit Beeren (von denen die meisten herausgefallen waren) und fand schließlich den Korb selbst – aber keine Silberscheibe.
    In seiner Verzweiflung rief er: »Wo zum Nis seid Ihr?«
    »Hier, Wanderer«, sagte die Frauenstimme. Völlig unaufgeregt. Irgendwo zu seiner Linken. Tim, weiterhin auf den Knien, wandte sich dorthin.
    »Wo?«
    »Hier, Wanderer.«
    »Sprecht weiter, ja?«
    Was bereitwillig befolgt wurde. »Hier, Wanderer. Hier, Wanderer. Hier, Wanderer.«
    Er griff in die Richtung, aus der die Stimme kam, und umschloss die kostbare Scheibe mit der Hand. Erst als er sie umdrehte, sah er wieder das grüne Licht. Er drückte sich die Scheibe schwitzend an die Brust. Er glaubte, noch nie so erschrocken gewesen zu sein, nicht einmal in dem Moment, als ihm klar geworden war, dass er auf dem Schädel eines Drachen stand. Oder jemals so erleichtert.
    »Hier, Wanderer. Hier, Wanderer. Hier …«
    »Ich hab dich«, sagte Tim und kam sich gleichzeitig töricht und gar nicht töricht vor. »Ihr könnt … äh … jetzt schweigen.«
    Die Silberscheibe verstummte. Tim saß lange Zeit still da und horchte auf die nächtlichen Geräusche des Waldes – die weniger bedrohlich als die des Sumpfes waren, zumindest bislang –, bis er allmählich seine Selbstbeherrschung zurückgewann. Dann sagte er: »Ja, Sai, ich hätte gern Licht.«
    Die Scheibe ließ das leise Summen hören, mit dem sie sonst den Stab ausfuhr, und plötzlich erstrahlte ein so helles, weißes Licht, dass Tim zunächst geblendet war. Die Bäume ringsum traten hell angestrahlt hervor, und irgendein kleines Tier, das sich lautlos angeschlichen hatte, schreckte fiepend zurück. Tim konnte noch nicht wieder scharf sehen, aber er hatte den Eindruck, dass es ein glattes Fell und – vielleicht – einen Ringelschwanz gehabt hatte.
    Aus der

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