Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
einen abgegriffenen Band zum Vorschein, das dickste Buch, das der Revolvermann je gesehen hatte – und dennoch ging dieser Mann damit um, als wäre es nicht wertvoller als eine Handvoll Steine.
Er schlug es auf dem Ladentisch auf und drehte es um. »Sehen Sie es sich an. Aber wenn es Jahre her ist, schießen Sie im Dunkeln.« Er sah überrascht drein, dann lächelte er. »Bitte das Wortspiel zu entschuldigen.«
Roland hörte ihn nicht. Er war über das Buch gebeugt und studierte Bilder, die beinahe so echt wirkten wie das, was sie darstellten, erstaunliche Bilder, die die Mortzyklopädie als Fottergrafien identifizierte.
Er blätterte langsam die Seiten um. Nein… nein… nein… Er hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, als er sie sah. Er sah mit so strahlender Aufregung zu dem Verkäufer auf, daß dem Verkäufer ein wenig unbehaglich zumute wurde.
»Da!« sagte er. »Da! Genau hier!«
Das Foto, auf das er deutete, war das einer 45er Winchester-Pistolenpatrone. Sie war nicht exakt wie seine eigenen Patronen, weil sie nicht handgegossen oder handgeladen war, aber er konnte, auch ohne die Zahlen zu lesen (die ihm sowieso nichts gesagt hätten), sehen, daß er seine Revolver damit laden und schießen konnte.
»Ja, schon gut, ich schätze, Sie haben sie gefunden, das ist noch lange kein Grund, einen Abgang in die Hose zu haben, Kumpel. Ich meine, es sind doch nur Patronen.«
»Haben Sie sie?«
»Klar. Wieviel Schachteln wollen Sie denn?«
»Wie viele sind denn in einer Schachtel?«
»Fünfzig.« Der Verkäufer sah den Revolvermann voll Argwohn an. Wenn der Bursche vorhatte, Patronen zu kaufen, mußte er wissen, daß er einen Waffenschein und einen Ausweis vorzeigen mußte. Kein Waffenschein, keine Munition, nicht bei Handfeuerwaffen; so lautete das Gesetz in Manhattan. Und wenn dieser Tölpel einen Waffenschein hatte, wie kam es dann, daß er nicht wußte, wieviel Patronen sich in einer Normschachtel Muni befanden?
»Fünfzig!« Jetzt sah ihn der Mann mit vor Überraschung offenem Mund an. Er war tatsächlich völlig aus dem Häuschen.
Der Verkäufer ging ein wenig näher an die Registrierkasse… und, kein Zufall, etwas näher zu seiner eigenen Waffe, einer 57er Mag, die er geladen in einem Federhalfter unter dem Ladentisch aufbewahrte.
»Fünfzig!« wiederholte der Revolvermann. Er hatte mit fünf gerechnet, zehn, bestenfalls einem Dutzend, aber das… das…
Wieviel Geld hast du? fragte er die Mortzyklopädie. Die Mortzyklopädie wußte es nicht genau, schätzte aber, daß noch mindestens sechzig Piepen in der Börse sein mußten.
»Und wieviel kostet eine Schachtel?« Er vermutete, daß es mehr als sechzig Dollar sein würden, aber er konnte den Mann vielleicht dazu bringen, ihm den Teil einer Schachtel zu verkaufen, oder…
»Siebzehn fünfzig«, sagte der Verkäufer. »Aber, Mister…«
Jack Mort war Buchhalter, und diesmal gab es keine Wartezeit; Übersetzung und Antwort erfolgten gleichzeitig.
»Drei«, sagte der Revolvermann. »Drei Schachteln.« Er klopfte mit einem Finger auf die Fottergrafie der Patronen. Hundertfünfzig Schuß! Ihr Götter! Was für ein verrücktes Lagerhaus von Schätzen diese Welt war!
Der Verkäufer bewegte sich nicht.
»So viele haben Sie nicht«, sagte der Revolvermann. Er war eigentlich nicht überrascht. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Ein Traum.
»Oh, ich habe 45er Winchester, ich habe 45er Winchester bis zum Erbrechen.« Der Verkäufer ging einen weiteren Schritt nach links, einen Schritt näher zur Registrierkasse und der Pistole. Wenn der Bursche ein Verrückter war, was der Verkäufer seiner Meinung nach jeden Augenblick herausfinden würde, würde er bald ein Verrückter mit einem ziemlich großen Loch im Bauch sein. »Ich habe 45er Munition bis über beide Ohren. Aber ich wüßte gerne, Mister, ob Sie einen Schein haben.«
»Schein?«
»Einen Waffenschein für Handfeuerwaffen, mit Foto. Ich kann Ihnen Munition für Handfeuerwaffen nur dann verkaufen, wenn Sie mir den zeigen. Wenn Sie Handfeuerwaffenmunition ohne Schein kaufen wollen, müssen Sie rauf nach Westchester.«
Der Revolvermann sah den Mann verständnislos an. Das war nur Geschwätz für ihn. Er begriff nichts davon. Seine Mortzyklopädie hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was der Mann meinte, aber Morts Gedanken waren so vage, daß er ihnen in diesem Fall nicht trauen konnte. Mort hatte in seinem ganzen Leben keine Schußwaffe besessen. Er machte seine schmutzige Arbeit
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