Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
nicht im Großen Buch: »Spare nicht mit der Rute, auf daß du das Kind nicht verdirbst?« –, aber er glaubte nicht, daß Susannah log. »Deine Welt hat sich nicht weitergedreht«, sagte er. »Hier ist vieles anders. Habe ich nicht selbst gesehen, daß es so ist?«
    »Das hast du wohl.«
    »Wie auch immer, du und Eddie – ihr seid keine Kinder. Es wäre falsch, würde ich euch als solche behandeln. Und falls Prüfungen erforderlich wären, so habt ihr sie beide bestanden.«
    Auch wenn er es nicht sagte, mußte er daran denken, wie es am Strand geendet hatte, als sie drei der riesigen Monsterhummer zur Hölle gepustet hatte, bevor sie ihn und Eddie bis auf die Knochen abnagen konnten. Er sah ihr Lächeln wie eine Antwort und dachte, daß sie sich möglicherweise an dasselbe erinnerte.
    »Also, was willst’n machen, wenn ich’n Scheiß zusammenschieße?«
    »Ich werde dich ansehen. Ich glaube, mehr ist nicht erforderlich.«
    Sie dachte darüber nach, dann nickte sie. »Könnte sein.«
    Sie überprüfte noch einmal den Revolvergurt. Dieser war fast wie ein Schulterhalfter über ihren Busen geschlungen (eine Anordnung, die Roland als Matrosenkreuz betrachtete) und sah schlicht und einfach aus, aber es hatte viele Wochen des Probierens gekostet – und jede Menge Kürschnerarbeit –, bis er richtig saß. Gürtel und der Revolver, dessen abgegriffener Sandelholzkolben aus dem alten geölten Halfter ragte, hatten einmal dem Revolvermann gehört; das Halfter hatte an seiner rechten Hüfte gehangen. In den vergangenen fünf Wochen hatte er genügend Zeit mit der Erkenntnis verbracht, daß es nie wieder dort hängen würde. Dank der Monsterhummer war er jetzt ein ausschließlich linkshändiger Schütze.
    »Und, wie ist es?« fragte er wieder.
    Diesmal lachte sie zu ihm hoch. »Roland, dieser olle Revolvergurt ist so bequem, wie er nur sein kann. Möchtest du jetzt, daß ich schieße – oder einfach hier sitze und mir die Krähenmusik von da drüben anhöre?«
    Jetzt spürte er, daß die Spannung sich wie spitze kleine Finger unter seine Haut bohrte, und vermutete, Cort mußte sich zuzeiten unter seinem griesgrämigen, vorgeschützten Gebaren ganz ähnlich gefühlt haben. Er wollte, daß sie gut war… sie mußte gut sein. Aber wenn er ihr zeigte, wie sehr er das wollte und brauchte, konnte es zu einer Katastrophe führen.
    »Wiederhole deine Lektion, Susannah.«
    Sie seufzte in gespielter Verzweiflung, doch beim Sprechen verschwand das Lächeln, und ihr dunkles, hübsches Gesicht wurde ernst. Und er vernahm von ihren Lippen erneut den alten Katechismus, der in ihrem Mund so neu klang. Er hätte nie damit gerechnet, diese Worte von einer Frau zu hören. Wie natürlich sie sich anhörten… und doch wie seltsam und gefährlich obendrein.
    »›Ich ziele nicht mit der Hand; wer mit der Hand zielt, hat das Gesicht seines Vaters vergessen.
    Ich ziele mit dem Auge.
    Ich schieße nicht mit der Hand; wer mit der Hand schießt, hat das Gesicht seines Vaters vergessen.
    Ich schieße mit dem Verstand.
    Ich töte nicht mit meiner Waffe…‹«
    Sie verstummte und deutete auf die flechtenschimmernden Steine auf dem Findling.
    »Ich werde sowieso nichts töten – sind ja nur Itzibitzi steine .«
    Ihr Gesichtsausdruck – ein bißchen garstig, ein bißchen verdrossen – deutete darauf hin, daß sie davon ausging, Roland würde resigniert sein, vielleicht sogar ein bißchen wütend auf sie. Aber Roland hatte schon hinter sich, was sie gerade durchmachte; er hatte nicht vergessen, daß angehende Revolvermänner manchmal schnippisch und übermütig waren, nervös und geneigt, genau im falschen Augenblick zuzubeißen… und er hatte eine unerwartete Fähigkeit in sich entdeckt. Er konnte unterrichten. Mehr noch, es machte ihm Spaß zu unterrichten, und er fragte sich von Zeit zu Zeit, ob es Cort ebenso ergangen war. Er vermutete, daß es so gewesen war.
    Jetzt fingen noch mehr Krähen rauh zu krächzen an – diesmal im Wald hinter ihnen. Ein Teil von Rolands Verstand registrierte die Tatsache, daß diese Schreie aufgeregt waren, nicht nur zänkisch; diese Vögel hörten sich an, als wären sie von dem Aas weggescheucht worden, das sie gerade gefressen hatten. Aber er mußte über wichtigere Dinge nachdenken als den Grund, der ein paar Vögel aufgescheucht hatte, daher speicherte er die Information einfach ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf Susannah. Mit einem Schüler anders zu verfahren, hieße, einen zweiten, nicht

Weitere Kostenlose Bücher