Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
satt, dauernd von ihm zu hören!‹ Weißt du noch, wie du das gesagt hast, Eddie?«
    Eddie dachte gründlich nach. Der Revolvermann hatte von tausend Dingen gesprochen, während sie beide den mühsamen Weg von der Tür mit der Aufschrift DER GEFANGENE zu der Tür mit der Aufschrift DIE HERRIN DER SCHATTEN zurückgelegt hatten, und er hatte in seinen Fiebermonologen schätzungsweise tausend Namen erwähnt – Alain, Cort, Jamie de Curry, Cuthbert (den häufiger als alle anderen), Hax, Martin (oder vielleicht Marien, wie der Vogel), Walter, Susan, sogar einen Typen mit dem ungewöhnlichen Namen Zoltan. Eddie hatte es gründlich satt gehabt, von diesen Leuten zu hören, die er nie kennengelernt hatte (und auch nie kennenlernen wollte), aber natürlich hatte Eddie zu der Zeit seine eigenen Probleme gehabt, von denen Heroinentzug und die Folgen einer kosmischen Zeitverschiebung nur zwei gewesen waren. Und wenn er fair sein wollte, dann vermutete er, daß Roland Eddies eigene bruchstückhafte Märchen, wie er und Henry gemeinsam aufgewachsen und gemeinsam Junkies geworden waren, sicher ebenso satt gehabt hatte wie Eddie die von Roland.
    Aber er konnte sich nicht erinnern, daß er Roland jemals gesagt hatte, er würde ihn mit seinem eigenen Hemd knebeln, wenn er nicht aufhörte, von einem bestimmten Jungen zu sprechen.
    »Fällt dir nichts ein?« fragte Roland. »Überhaupt nichts?«
    War da etwas? Ein fernes Kribbeln wie das Déjà-vu -Gefühl, das ihn überkommen hatte, als er die Schleuder in dem Holzsporn sah, der aus dem Baumstumpf herausragte? Eddie versuchte, dieses Kribbeln zu finden, aber es war fort. Er entschied, daß es überhaupt nicht dagewesen war; er wollte nur, daß es da war, weil Roland solche Qualen litt.
    »Nein«, sagte er. »Tut mir leid, Mann.«
    »Aber ich habe es dir erzählt.« Rolands Stimme war ruhig, doch Verzweiflung pulsierte in ihr wie ein scharlachroter Faden. »Der Name des Jungen war Jake. Ich habe ihn geopfert – getötet –, damit ich Walter endlich einholen und zum Reden bringen konnte. Ich habe ihn unter den Bergen getötet.«
    An dieser Stelle konnte Eddie deutlicher werden. »Nun, das ist vielleicht so gewesen, aber du hast nicht erzählt, daß es so gewesen ist. Du hast gesagt, du bist allein auf einem irren Handwagen unter den Bergen durchgefahren. Darüber hast du eine Menge geredet, als wir am Strand entlanggegangen sind, Roland. Wie unheimlich es war, allein zu sein.«
    »Daran kann ich mich erinnern. Aber ich erinnere mich auch, daß ich dir von dem Jungen erzählt habe, wie er von der Brücke in den Abgrund gestürzt ist. Und die Distanz zwischen diesen beiden Erinnerungen reißt meinen Verstand entzwei.«
    »Ich verstehe das alles überhaupt nicht«, sagte Susannah besorgt.
    »Ich glaube«, sagte Roland, »ich fange so langsam an, es zu verstehen.«
    Er warf mehr Holz aufs Feuer, worauf ein dichter Schwarm roter Funken in den dunklen Himmel stob. »Ich werde euch eine Geschichte erzählen, die wahr ist«, sagte er, »und dann erzähle ich euch eine, die nicht wahr ist… aber wahr sein sollte.
    Ich habe in Pricetown ein Maultier gekauft, und als ich schließlich in Tull ankam, der letzten Stadt vor der Wüste, war es noch frisch…«
     
     

14
     
    Und so schilderte der Revolvermann den letzten Teil seiner langen Geschichte. Eddie hatte vereinzelte Bruchstücke der Story gehört, aber er hörte völlig fasziniert zu, ebenso Susannah, für die sie vollkommen neu war. Er erzählte ihnen von der Bar, in deren Ecke das endlose Spiel Watch Me stattgefunden hatte, dem Klavierspieler namens Sheb, der Frau namens Allie mit der Narbe auf der Stirn… und von Nort, dem Grasesser, der gestorben und von dem Mann in Schwarz zu einem fragwürdigen Halbleben wiedererweckt worden war. Er erzählte ihnen von Sylvia Pittston, dem Inbegriff religiösen Wahns, und von dem letzten apokalyptischen Gemetzel, bei dem er, Roland der Revolvermann, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der Stadt getötet hatte.
    »Ach du dicke Scheiße!« sagte Eddie mit leiser, zittriger Stimme. »Jetzt weiß ich, warum du so knapp an Munition gewesen bist, Roland.«
    »Sei still!« schnappte Susannah. »Laß ihn zu Ende erzählen!«
    Roland fuhr fort und erzählte seine Geschichte so stoisch, wie er die Wüste durchquert hatte, nachdem er an der Hütte des letzten Grenzbewohners vorbeigekommen war, einem jungen Mann, dessen erdbeerfarbenes Haar ihm fast bis zur Taille gereicht hatte. Er erzählte ihnen, wie

Weitere Kostenlose Bücher