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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gleichförmige Kadenz angenommen hatten.
    Es war, dachte er, so schön, jung und verliebt zu sein. Selbst im Friedhof, zu dem diese Welt geworden war, war es schön.
    Genießt es, so lange ihr könnt, dachte er, denn vor uns liegt noch mehr Tod. Wir sind zu einem Bach voll Blut gekommen. Dieser wird uns ohne Zweifel zu einem ebensolchen Fluß führen. Und weiter entfernt zu einem Ozean. In dieser Welt klaffen die Gräber, und die Toten ruhen allesamt nicht in Frieden.
    Als im Osten die Dämmerung heraufzog, machte er die Augen zu. Schlief kurz. Und träumte von Jake.
     
     

19
     
    Eddie träumte ebenfalls – er träumte, er wäre wieder in New York, wo er mit einem Buch in der Hand die Second Avenue entlang ging.
    In diesem Traum war es Frühling. Es war warm, die Stadt erblühte, und das Heimweh schmerzte in ihm wie ein Muskel, in dem sich tief ein Angelhaken verfangen hat. Genieß diesen Traum und träum ihn, so lange du kannst, dachte er. Freu dich daran… denn näher wirst du nicht mehr an New York herankommen. Du kannst nicht heimkehren, Eddie. Der Teil ist abgeschlossen.
    Er betrachtete das Buch und war nicht im geringsten überrascht, daß es sich um Es gibt kein Zurück von Thomas Wolfe handelte. Auf den dunkelroten Einband waren drei Symbole geprägt: Schlüssel, Rose und Tür. Er blieb einen Moment stehen, schlug das Buch auf und las die erste Zeile. Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, hatte Wolfe geschrieben, und der Revolvermann folgte ihm.
    Eddie klappte es zu und ging weiter. Es war etwa neun Uhr morgens, schätzte er, vielleicht halb zehn, und der Verkehr auf der Second Avenue war spärlich. Taxis hupten und sprangen von Spur zu Spur, während der Frühlingssonnenschein auf ihren Windschutzscheiben und dem hellgelben Lack funkelte. Ein Penner an der Ecke Second und Fifty-second bat ihn um eine milde Gabe, worauf Eddie ihm das Buch mit dem roten Einband in den Schoß warf. Er stellte (ebenfalls ohne Überraschung) fest, daß es sich bei dem Penner um Enrico Balazar handelte. Dieser saß mit überkreuzten Beinen vor einem Zauberladen. HAUS DER KARTEN, stand auf dem Schild im Schaufenster, in dem ein Turm aus Tarotkarten stand. Obenauf befand sich ein Modell von King Kong. Eine winzige Radarschüssel wuchs aus dem Kopf des Riesenaffen.
    Eddie ging lässig weiter Richtung Innenstadt, und die Straßenschilder schwebten an ihm vorbei. Er wußte, wohin er ging, als er es sah: einen kleinen Laden Ecke Second und Forty-sixth.
    Ja, dachte er. Ein Gefühl großer Erleichterung überkam ihn. Das ist es. Genau das ist es. Fleisch und Käse hingen im Schaufenster. TOM UND GERRY’S KÜNSTLERISCHES DELIKATESSENGESCHÄFT, stand auf dem Schild. PARTY-PLATTEN SIND UNSERE SPEZIALITÄT!
    Während er davorstand und hineinsah, kam noch jemand, den er kannte, um die Ecke. Es war Jack Andolini, der einen vanillefarbenen dreiteiligen Anzug trug und einen schwarzen Stock in der linken Hand hielt. Sein halbes Gesicht war fort, von den Monsterhummern abgeschnitten.
    Geh ruhig rein, Eddie, sagte Jack im Vorbeigehen. Schließlich gibt es mehr Welten als diese, und der Scheißzug fährt durch alle.
    Ich kann nicht, antwortete Eddie. Die Tür ist verschlossen. Er hatte keine Ahnung, woher er das wußte, aber er wußte es ohne jeden Zweifel.
    Dad-a-chum, dud-a-chee, du hast den Schlüssel, also sorg dich nie, sagte Jack, ohne sich umzudrehen. Eddie sah an sich hinab und stellte fest, daß er wirklich einen Schlüssel besaß: ein primitives Ding mit drei Zacken wie umgekehrte V.
    Die kleine S-Form am Ende des letzten Zahns ist das Geheimnis, dachte er. Er trat unter den Torbogen von Tom und Gerry’s Künstlerischem Delikatessengeschäft und steckte den Schlüssel ins Schloß. Er ließ sich mühelos drehen. Er machte die Tür auf und betrat ein weites, offenes Feld. Er sah über die Schulter und erblickte den Verkehr auf der Second Avenue, der vorbeisauste, dann schlug die Tür zu und fiel um. Dahinter war nichts. Überhaupt nichts. Er drehte sich um und studierte seine neue Umgebung, und was er sah, erfüllte ihn zuerst mit Entsetzen. Das Feld war scharlachrot, als hätte hier eine titanische Schlacht stattgefunden und den Boden mit so viel Blut getränkt, daß er es nicht mehr aufsaugen konnte.
    Dann stellte er fest, daß er kein Blut da vor sich sah, sondern Rosen.
    Dieses Gefühl von Freude und Triumph raste wieder durch ihn hindurch und ließ sein Herz anschwellen, bis er fürchtete, es müßte ihm in der Brust

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