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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Nachdem die vertrottelten Lehrlinge nun die Waffen haben und der Meister unbewaffnet ist, können wir jetzt gehen? Wenn etwas Großes aus den Büschen gestürmt kommt, Roland, kannst du ja immer noch dein Messer danach werfen.«
    »Ach das«, sagte er. »Das hätte ich fast vergessen.« Er zog das Messer aus der Tasche und hielt es – Griff voran – Eddie hin.
    »Das ist lächerlich!« schrie Eddie.
    »Das Leben ist lächerlich.«
    »Ja, schreib das auf eine Postkarte und schick es dem verdammten Reader’s Digest.« Eddie rammte das Messer in den Gürtel und sah Roland trotzig an. »Können wir jetzt gehen?«
    »Eines noch«, sagte Roland.
    »Grundgütiger Himmel!«
    Das Lächeln umspielte wieder Rolands Lippen. »War nur ein Witz«, sagte er.
    Eddies Kiefer klappte herunter. Susannah neben ihm fing an zu lachen. Das Geräusch erklang musikalisch wie Glocken in der morgendlichen Stille.
     
     

31
     
    Sie brauchten fast den ganzen Vormittag, bis sie die Zone der Verwüstung hinter sich gebracht hatten, mit der der große Bär sich geschützt hatte, aber auf dem Pfad des Balkens ging es etwas leichter voran, und als sie die umgestürzten Baumstämme und das Unterholz hinter sich gelassen hatten, konnten sie schneller vorankommen. Das Bächlein, das aus dem Felsen entsprungen war, verlief murmelnd zu ihrer Rechten. Mehrere kleine Rinnsale hatten sich mit ihm vereinigt, so daß sein Plätschern jetzt tiefer klang. Hier lebten mehr Tiere – sie hörten sie durch das Unterholz wuseln, wo sie ihre täglichen Runden drehten –, und zweimal sahen sie kleine Rudel Wild. Ein Hirsch mit einem ehrwürdigen Geweih auf dem Haupt sah aus, als würde er mindestens dreihundert Pfund wiegen. Als es wieder bergauf ging, zweigte der Bach von ihrem Weg ab. Und als sich der Nachmittag dem Abend entgegenneigte, sah Eddie etwas.
    »Könnten wir hier haltmachen? Eine kurze Rast?«
    »Was ist denn?« fragte Susannah.
    »Ja«, sagte Roland. »Wir können haltmachen.«
    Plötzlich spürte Eddie wieder Henrys Gegenwart wie eine Last auf den Schultern. Oh, seht mal die Memme! Tut die Memme was im Baum sehen? Will die Memme was schnitzen? Ja? Ohhhh, ist das nicht NIEDLICH?
    »Wir müssen nicht anhalten. Ich meine, es ist nicht wichtig. Ich habe nur…«
    »… etwas gesehen«, sprach Roland für ihn zu Ende. »Was es auch sein mag, hör auf, dein nimmermüdes Plappermaul spazierenzuführen, und hol es.«
    »Es ist wirklich nichts.« Eddie spürte, wie ihm das warme Blut ins Gesicht schoß. Er versuchte, den Blick von der Esche abzuwenden, die ihm aufgefallen war.
    »O doch. Etwas, das du brauchst, und das ist alles andere als nichts. Wenn du es brauchst, brauchen wir es. Was wir nicht brauchen, ist ein Mann, der den überflüssigen Ballast seiner Erinnerungen nicht über Bord werfen kann.«
    Das warme Blut wurde heiß. Eddie wandte das flammende Gesicht noch einen Moment seinen Mokassins zu und kam sich vor, als könnte Roland ihm mit seinen blaßblauen Kanoniersaugen bis tief ins Herz sehen.
    »Eddie?« fragte Susannah neugierig. »Was hast du denn, Herzblatt?«
    Ihre Stimme gab ihm den Mut, den er brauchte. Er ging zu der schlanken, geraden Esche und zog Rolands Messer aus dem Gürtel.
    »Vielleicht nichts«, murmelte er und zwang sich hinzuzufügen: »Aber vielleicht eine ganze Menge. Wenn ich es nicht vermaßle, vielleicht eine ganze Menge.«
    »Die Esche ist ein edler Baum voll Kraft«, bemerkte Roland hinter ihm, aber Eddie hörte ihn kaum. Henrys höhnische, hänselnde Stimme war fort; und mit ihr seine Scham. Er dachte nur an den einen Ast, der ihm aufgefallen war. Wo dieser in den Stamm überging, war er leicht gewölbt und dick. Dieses Stück wollte Eddie.
    Er glaubte, daß die Form des Schlüssels darin verborgen war – des Schlüssels, den er kurz im Feuer gesehen hatte, bevor die brennenden Überreste des Kiefers sich erneut verändert hatten und die Rose erschienen war. Drei umgekehrte V, das mittlere V tiefer und breiter als die beiden anderen. Und die kleine S-Form am Ende. Das war das Geheimnis.
    Ein Fetzen seines Traums kehrte zurück: Dad-a-chum, dud-a-chee, du hast den Schlüssel, also sorg dich nie.
    Vielleicht, dachte er. Aber ich glaube, diesmal muß ich ihn voll und ganz bekommen. Ich glaube, diesmal reichen neunzig Prozent einfach nicht aus.
    Er schnitt den Ast mit großer Sorgfalt vom Stamm und schnitt dann das dünne Ende ab. Übrig blieb ein kräftiges Stück Esche, etwa zwanzig Zentimeter lang. Er spürte es

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