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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die Strebe und griff mit der linken nach Oy, während er ebenfalls über den Rand rutschte. Der Bumbler glitt ab und biß in Jakes ausgestreckte Hand. Die Schmerzen waren unerträglich. Jake schrie, hielt sich aber fest, senkte den Kopf, ließ die Strebe nicht los und drückte zusätzlich die Knie gegen die tückisch glatte Oberfläche. Oy baumelte an seiner linken Hand wie ein Zirkusakrobat und sah mit seinen goldumrandeten Augen auf, und nun konnte Jake sehen, wie sein eigenes Blut in zwei dünnen Rinnsalen am Kopf des Bumblers hinabfloß.
    Dann schwoll der Wind weiter an, und Jake rutschte über den Rand.
     
     

13
     
    Eddies Angst fiel von ihm ab. An ihre Stelle trat diese seltsame, doch willkommene Kälte. Er ließ Susannahs Rollstuhl polternd auf den rissigen Beton fallen und rannte behende auf das Stützkabel hinaus, ohne sich erst die Mühe zu machen, nach dem Geländer zu greifen. Jake hing kopfunter über dem Abgrund, und Oy baumelte wie ein pelziges Pendel an seiner linken Hand. Und die rechte Hand des Jungen rutschte ab.
    Eddie machte die Beine breit und ließ sich in eine sitzende Haltung fallen. Seine ungeschützten Hoden wurden schmerzhaft in den Schritt gequetscht, aber im Augenblick waren selbst diese erlesenen Schmerzen Nachrichten aus einem fernen Land. Er packte Jake mit einer Hand am Haar und mit der anderen an einem Gurt des Ranzens. Er spürte, wie er zur Seite kippte, und fürchtete einen alptraumhaften Augenblick, sie könnten alle drei wie eine Gänseblümchenkette ins Leere stürzen.
    Er ließ Jakes Haar los, umklammerte den Gurt fester und hoffte, der Junge hatte den Ranzen nicht in einem Billigladen gekauft. Mit der freien Hand suchte er, über dem Kopf fuchtelnd, nach dem Geländer. Nach einem endlosen Augenblick, während dem sie weiter hinausrutschten, hatte er es zu fassen bekommen.
    »ROLAND!« bellte er. »ICH KÖNNTE HIER ETWAS HILFE GEBRAUCHEN!«
    Aber Roland, der Susannah noch auf dem Rücken trug, war schon zur Stelle. Als er sich bückte, schlang sie die Arme um seinen Hals, damit sie nicht Kopf voraus aus der Schlinge rutschte. Der Revolvermann schlang einen Arm um Jakes Brust und zog ihn hoch. Als seine Füße wieder auf der Strebe standen, legte Jake den rechten Arm um Oys zitternden Körper. Seine linke Hand verspürte Schmerzen wie Feuer und Eis.
    »Laß los, Oy«, keuchte er. »Du kannst jetzt loslassen – wir sind in Sicherheit.«
    Einen schrecklichen Augenblick dachte er, der Billy-Bumbler würde nicht loslassen. Dann lockerte Oy langsam den Biß, und Jake konnte die Hand herausziehen. Sie war blutverschmiert und wies einen Ring dunkler Löcher auf.
    »Oy«, sagte der Bumbler kläglich, und Eddie sah staunend, daß die seltsamen Augen des Tieres voller Tränen waren. Er streckte den Hals und leckte Jake mit der blutigen Zunge das Gesicht.
    »Schon gut«, sagte Jake und drückte das Gesicht in das weiche Fell. Er weinte selbst, und sein Gesicht war eine Maske des Schocks und der Schmerzen. »Keine Bange, das macht nichts. Du hast nicht anders gekonnt, und ich bin dir nicht böse.«
    Eddie rappelte sich langsam auf. Sein Gesicht war schmutzig grau, und ihm war, als hätte ihm jemand eine Bowlingkugel in den Unterleib gerammt. Er griff sich mit der linken Hand verstohlen zwischen die Beine und begutachtete den Schaden dort.
    »Verdammt billige Vasektomie«, sagte er heiser.
    »Wirst du ohnmächtig, Eddie?« fragte Roland. Eine erneute Windbö riß ihm den Hut vom Kopf und wehte ihn Susannah ins Gesicht. Sie packte ihn und zog ihn ihm bis auf die Ohren, was ihm das Aussehen eines halb irren Hillbillys verlieh.
    »Nein«, sagte Eddie. »Ich wünschte fast, ich könnte, aber…«
    »Sieh dir Jake an«, sagte Susannah. »Er blutet böse.«
    »Mir geht es gut«, sagte Jake und versuchte, seine Hand zu verstecken. Bevor es ihm gelang, ergriff Roland sie behutsam. Jake hatte mindestens ein Dutzend punktförmige Wunden an Handrücken, Handfläche und Fingern. Die meisten waren tief. Es war unmöglich zu sagen, ob Knochen gebrochen oder Sehnen durchbissen waren, bis Jake versuchte, die Hand zu spannen, und dies war weder die Zeit noch der Ort für derartige Experimente.
    Roland betrachtete Oy. Der Billy-Bumbler sah ihn ebenfalls an, und seine ausdrucksvollen Augen waren groß und traurig. Er hatte nicht versucht, Jakes Blut von der Schnauze zu lecken, obwohl es ein natürlicher Impuls gewesen wäre.
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte Jake und schlang den Arm fester um Oys Körper.

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