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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Es war nicht seine Schuld. Es war meine Schuld, weil ich ihn vergessen habe. Der Wind hat ihn heruntergeweht.«
    »Ich werde ihm nichts tun«, sagte Roland. Er war sicher, daß der Billy-Bumbler keine Tollwut hatte, aber er hatte dennoch nicht die Absicht, Oy mehr von Jakes Blut kosten zu lassen als ohnehin schon. Was andere Krankheiten betraf, die Oy in sich haben konnte… nun, das würde Ka entscheiden, wie letztendlich immer. Roland zog das Taschentuch aus der Tasche und wischte Oys Lippen und Schnauze ab. »So«, sagte er. »Guter Junge. Guter Boy.«
    »Oy«, sagte der Billy-Bumbler kläglich, und Susannah, die Roland über die Schulter sah, hätte schwören können, sie konnte Dankbarkeit aus seiner Stimme heraushören.
    Eine weitere Windbö strich über sie hinweg. Das Wetter wurde zusehends ungemütlicher. »Eddie, wir müssen von der Brücke runter. Kannst du gehen?«
    »Nein, Massa; kriechen muß.« Die Schmerzen im Unterleib und der Magengrube waren immer noch schlimm, aber nicht mehr ganz so schlimm wie vor einer Minute noch.
    »Gut. Gehen wir. So schnell wir können.«
    Roland drehte sich um, ging einen Schritt und blieb stehen. Ein Mann stand auf der anderen Seite der Lücke und betrachtete sie ausdruckslos.
    Der Neuankömmling hatte sich hergeschlichen, während ihre Aufmerksamkeit Jake und Oy gegolten hatte. Ein Bogen war über seinen Rücken geschlungen. Er trug einen hellgelben Schal um den Kopf; die Enden wallten wie Flaggen im frischen Wind. Goldene Ringe mit Kreuzen in der Mitte baumelten an seinen Ohren. Ein Auge war von einer weißen Seidenklappe verdeckt. Purpurne Schwären überzogen sein Gesicht, manche waren offen und eiterten. Er hätte dreißig, vierzig oder sechzig Jahre alt sein können. Eine Hand hielt er hoch über den Kopf. Er trug etwas darin, das Roland nicht erkennen konnte, aber die Form war zu regelmäßig für einen Stein.
    Hinter dieser Erscheinung ragte die Stadt, von einer unheimlichen Klarheit erfüllt, im dunkelnden Tag empor. Als Eddie an den Backsteingebäuden am gegenüberliegenden Ufer – zweifellos Warenhäuser, die längst schon von Plünderern ausgeräumt worden waren – vorbei in die schattigen Korridore und Irrgärten aus Stein sah, ging ihm zum erstenmal auf, wie irrig und schrecklich albern seine Träume und Hoffnungen auf Hilfe gewesen waren. Jetzt sah er die zertrümmerten Fassaden und eingestürzten Dächer; jetzt sah er Vogelnester auf Erkern und in glaslosen Fenstern; jetzt nahm er den Geruch der Stadt bewußt wahr, und dieser Geruch stammte nicht von sagenhaften Gewürzen und köstlichen Speisen, wie sie seine Mutter manchmal von Zabar’s heimgebracht hatte, sondern war der Geruch einer Matratze, die Feuer gefangen, eine Weile geschwelt hat und dann mit Wasser aus dem Abwasserkanal gelöscht worden ist. Plötzlich verstand er Lud, verstand es völlig. Der grinsende Pirat, der sich angeschlichen hatte, während ihre Aufmerksamkeit abgelenkt gewesen war, stellte wahrscheinlich den besten Ersatz für einen weisen alten Elfen dar, den dieser kaputte, heruntergekommene Ort zu bieten hatte.
    Roland zog den Revolver.
    »Steck ihn weg, Jüngelchen«, sagte der Mann mit dem gelben Schal mit einem so ausgeprägten Akzent, daß der Sinn der Worte fast nicht zu verstehen war. »Steck ihn weg, mein Herzenskind. Bist ein zäher Brocken, ay, soviel sieht man dir an, aber diesmal biste unterlegen.«
     
     

14
     
    Die Hosen des Neuankömmlings waren aus geflicktem grünem Samt, und wie er so am Rand des Lochs in der Brücke stand, sah er wie ein Pirat am Ende seiner Tage als Plünderer aus: krank, zerlumpt, aber immer noch gefährlich.
    »Und wenn ich beschließe, das nicht zu tun?« fragte Roland. »Wenn ich einfach beschließe, dir eine Kugel durch den schorfigen Kopf zu schießen?«
    »Dann gehe ich gerade so schnell vor dir zur Hölle, daß ich dir noch die Tür aufhalten kann«, sagte der Mann im gelben Schal mit einem rostigen Kichern. Er winkte mit der Hand, die er über dem Kopf hielt. »Für mich wär’s so oder so derselbe Mordsspaß.«
    Roland ging davon aus, daß das der Wahrheit entsprach. Der Mann sah aus, als hätte er bestenfalls noch ein Jahr zu leben… und die letzten Monate dieses Lebens würden wahrscheinlich sehr unangenehm werden. Die eiternden Schwären in seinem Gesicht hatten nichts mit Strahlung zu tun; wenn Roland sich nicht sehr irrte, befand sich dieser Mann im Endstadium einer Krankheit, die die Ärzte Mandrus und alle anderen

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