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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fernsehen«, sagte Eddie. »Hast du um fünf oder zehn Jahre verpasst. Alte weiße Typen mit Krawatten. Unwichtig. Dieses Schild…«
    »Das ist Kansas, kein Zweifel«, sagte Susannah. »Unser Kansas. Meine Meinung.« Sie hatte ein weiteres Schild erspäht, das man gerade noch über den Bäumen erkennen konnte. Nun zeigte sie darauf, bis Jake, Eddie und Roland es auch sahen:
     

     
    »Gibt es in deiner Welt ein Kansas, Roland?«
    »Nein«, entgegnete Roland und betrachtete die Schilder. »Wir sind weit jenseits der Grenzen der Welt, die ich kannte. Ich hatte den größten Teil der Welt, die ich kannte, schon hinter mir gelassen, bevor ich euch drei getroffen habe. Dieser Ort…«
    Er verstummte und legte den Kopf schräg, so als würde er einem Geräusch lauschen, das fast außer Hörweite war. Und sein Gesichtsausdruck… der gefiel Jake gar nicht.
    »Na also, Kinderchen!«, sagte Eddie strahlend. »Heute lernen wir etwas über die schräge Geografie von Mittwelt. Seht her, Jungs und Mädels, in Mittwelt startet ihr in New York, reist nach Südosten bis Kansas und folgt dann dem Pfad des Balkens, bis ihr zum Dunklen Turm kommt, der mittenmang in allem steht. Zuerst kämpft ihr aber gegen die riesigen Hummer! Danach fahrt ihr mit dem psychopathischen Zug! Und dann, nach einem Besuch in der Snackbar für eine kleine Erfrischung…«
    »Hört auch jemand etwas?!«, unterbrach ihn Roland. »Irgendeiner von euch?«
    Jake horchte. Er hörte den Wind durch die Bäume des nahe gelegenen Parks streichen – das Laub zeigte gerade erste Verfärbungen – und das Klicken von Oys Krallen, weil der Bumbler auf dem Dach des Baronswagens gerade zu ihnen zurückkehrte. Dann verstummte Oy, sodass selbst dieses Geräusch…
    Eine Hand packte ihn am Arm, und er zuckte zusammen. Es war Susannah. Sie hatte den Kopf angewinkelt und die Augen weit aufgerissen. Eddie horchte ebenfalls. Auch Oy; er hatte die Ohren gespitzt und winselte leise aus tiefer Kehle.
    Jake spürte, wie er eine Gänsehaut auf den Armen bekam. Gleichzeitig spürte er, wie sich sein Mund zu einer Grimasse verzerrte. Das Geräusch war, obwohl sehr leise, die Audio-Variante eines Bisses in eine Zitrone. Und er hatte so etwas schon einmal gehört. Als er fünf oder sechs gewesen war, gab es da mal im Central Park einen Verrückten, der sich für einen Musiker hielt… Nun, es gab viele Verrückte im Central Park, die sich für Musiker hielten, aber das war der einzige gewesen, den Jake je gesehen hatte, der auf einem Werkzeug spielte. Der Bursche hatte ein Schild neben seinem umgedrehten Hut, auf dem stand: BESTER SÄGENSPIELER DER WELT! KLINGT NACH HAWAII, ODER ETWA NICHT? BITTE UM EINE MILDE GABE!
    Greta Shaw war bei Jake gewesen, als er den Sägenspieler zum ersten Mal gesehen hatte, und jetzt erinnerte sich Jake, wie hastig sie an dem Mann vorbeigeeilt war. Er hatte dagesessen wie der Cellist eines Symphonieorchesters, genau so, nur mit einer rostfleckigen Handsäge zwischen den gespreizten Beinen; Jake erinnerte sich an den komisch-entsetzten Gesichtsausdruck von Mrs. Shaw und ihre bebenden, zusammengepressten Lippen, als ob – ja, als ob sie gerade in eine Zitrone gebissen hätte.
    Dieses Geräusch war nicht exakt so wie das
    (KLINGT NACH HAWAII, ODER ETWA NICHT?)
    das der Typ im Park durch Vibrationen seiner Säge erzeugt hatte, aber fast: ein heulendes, zitterndes, metallisches Geräusch, bei dem einem zumute war, als würden einem die Stirnhöhlen voll laufen und die Augen gleich anfangen zu tränen. Kam es von irgendwo vor ihnen? Jake konnte es nicht sagen. Es schien von überall und nirgends zu kommen; gleichzeitig war es so leise, dass er es auch seiner Einbildung hätte zuschreiben können, wenn die anderen nicht…
    »Aufpassen!«, rief Eddie. »Helft mir, Leute! Ich glaube, er wird ohnmächtig!«
    Jake wirbelte zum Revolvermann herum und sah, dass dessen Gesicht so weiß wie Hüttenkäse über der staubigen Farblosigkeit seines Hemds geworden war. Seine Augen waren groß und wirkten leer. Einer der Mundwinkel zuckte spastisch, als würde ein Angelhaken darin stecken.
    »Jonas und Reynolds und Depape«, sagte er. »Die Großen Sargjäger. Und sie. Die Cöos. Sie waren diejenigen. Sie waren diejenigen, die…«
    Roland stand in seinen staubigen, rissigen Stiefeln auf dem Dach der Einschienenbahn und taumelte. Sein Gesicht zeigte den kläglichsten Ausdruck, den Jake je gesehen hatte.
    »O Susan«, sagte er. »O mein Liebling.«
     
     

2
     
    Sie fingen

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