Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
schlimm, Jim! Wie ist es mit diesem? Was kann man ohne Worte ausdrücken? Einen Pickel im Gesicht!«
Er hatte das pulsierende Rechteck erreicht. Nun hob er Rolands Waffe, und plötzlich ertönte ihr Donnern in dem Baronswagen. Er feuerte alle sechs Schuss in das Loch ab, wobei er den Hahn jedes Mal mit der flachen Hand spannte, wie Roland es ihnen beigebracht hatte, und wusste nur, dass es richtig war, angemessen… Das war Ka, gottverdammt, das verdammte Ka, so brachte man etwas zu Ende, wenn man ein Revolvermann war. Er war ein Angehöriger von Rolands Stamm, durchaus, seine Seele würde wahrscheinlich in die tiefste Grube der Hölle fahren, aber daran hätte er für alles Heroin in Asien nichts ändern wollen.
»ICH HASSE DICH!«, greinte Blaine mit seiner Kinderstimme. Das schrille Kreischen darin war verschwunden; sie wurde sanft, nuschelnd. »ICH HASSE DICH FÜR IMMER!«
»Nicht das Sterben macht dir zu schaffen, richtig?«, sagte Eddie. Die Lichter in dem Loch, wo der Streckenplan gewesen war, verblassten. Das blaue Feuer züngelte weiter, aber Eddie musste kaum den Kopf nach hinten halten, um ihm auszuweichen; die Flamme war klein und schwach. Bald würde Blaine so tot sein wie alle Pubes und Grauen in Lud. »Das Verlieren, das macht dir zu schaffen.«
»HASSE… FÜRRRRrrrrr…«
Das Wort verflachte zu einem Summen. Das Summen wurde zu einer Art von stotterndem, pochendem Geräusch. Dann war es verstummt.
Eddie sah sich um. Da stand Roland und hielt Susannah mit einer Hand um ihre Kehrseite, wie man ein Kind halten mochte. Sie umklammerte mit den Oberschenkeln seine Hüfte. Jake stand auf der anderen Seite des Revolvermanns, Oy zu seinen Füßen.
Ein seltsam verkohlter, aber irgendwie nicht unangenehmer Geruch kam aus dem Loch, wo der Streckenplan gewesen war. Eddie fand, dass er wie brennendes Laub im Oktober roch. Sonst war das Loch so tot und dunkel wie das Auge eines Leichnams. Alle Lichter darin waren erloschen.
Deine Gans ist gekocht, Blaine, dachte Eddie, und dein verdammter Turkey ist baked. Fröhliches Scheiß-Thanksgiving.
5
Das Quietschen unter dem Zug verstummte. Vorn ertönte ein letztes knirschendes Poltern, und dann verstummten auch diese Geräusche. Roland spürte, wie seine Beine und Hüften sanft nach vorn schwangen, und streckte die freie Hand aus, um sich zu stützen. Sein Körper wusste vor seinem Kopf, was passiert war: Blaines Motoren hatten den Geist aufgegeben. Sie rollten einfach noch auf den Schienen dahin. Aber…
»Zurück«, sagte er. »Ganz nach hinten. Wir rollen. Wenn wir schon zu nahe an Blaines Endhaltestelle sind, könnte es immer noch zu einem Aufprall kommen.«
Er führte sie an der Pfütze vorbei, die von Blaines als Willkommensgruß geschaffener Eisskulptur übrig geblieben war, in den hinteren Teil des Wagens. »Und haltet euch von diesem Ding fern«, sagte er und zeigte dabei auf ein Instrument, das wie eine Kreuzung zwischen einem Klavier und einem Cembalo aussah. Es stand auf einer kleinen Plattform. »Es könnte verrutschen. Ihr Götter, wenn wir nur sehen könnten, wo wir sind! Legt euch hin. Schützt die Köpfe mit den Armen.«
Sie folgten seinen Anweisungen. Roland tat es ihnen gleich. Er lag da, presste das Kinn in den königsblauen Teppich, kniff die Augen zu und dachte darüber nach, was gerade geschehen war.
»Ich erflehe deine Verzeihung, Eddie«, sagte er. »Wie sich das Rad des Ka doch dreht! Einmal musste ich dasselbe zu meinem Freund Cuthbert sagen… aus demselben Grund. Ich habe eine gewisse Blindheit in mir. Eine arrogante Blindheit.«
»Ich glaube kaum, dass die Notwendigkeit besteht, Verzeihung zu erflehen«, sagte Eddie. Er hörte sich unbehaglich an.
»O doch. Ich habe verächtlich auf deine Witze reagiert. Nun haben sie uns das Leben gerettet. Ich erflehe deine Verzeihung. Ich habe das Angesicht meines Vaters vergessen.«
»Du musst dich nicht entschuldigen, und du hast niemandes Angesicht vergessen«, sagte Eddie. »Du kannst nichts für deinen Charakter, Roland.«
Der Revolvermann dachte gründlich darüber nach und fand etwas heraus, was wunderbar und schrecklich zugleich war: Dieser Gedanke war ihm noch nie gekommen. Nicht ein einziges Mal in seinem ganzen Leben. Dass er ein Sklave des Ka war – das wusste er seit seiner frühesten Kindheit. Aber seines Charakters… seines eigenen Charakters…
»Danke, Eddie. Ich glaube…«
Bevor Roland weitersprechen konnte, kam Blaine der Mono zu einem letzten,
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