Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Gerüche, von denen das Orakel am Berg nur einen blassen Abklatsch zustande gebracht hatte. Susan, die sich zurücklehnte und ernst zu ihm aufschaute, um dann zu lächeln und die Hände hinter dem Kopf zu verschränken, sodass ihre Brüste sich hoben, als sehnten sie sich nach der Berührung seiner Hände.
Wenn du mich liebst, Roland, dann liebe mich… Vogel und Bär und Fisch und Hase…
»… Nächste?«
Er drehte sich zu Eddie um und musste alle Willenskraft aufbieten, um sich aus dem Wann von Susan Delgado zurückzuziehen. Es gab wahrhaftig Schwachstellen hier in Topeka, und zwar von unterschiedlichster Art. »Ich war mit den Gedanken anderswo, Eddie. Erflehe deine Verzeihung.«
»Susannah als Nächste? Das hatte ich gefragt.«
Roland schüttelte den Kopf. »Du als Nächster, dann Susannah. Ich gehe als Letzter.«
»Wirst du zurechtkommen? Mit deiner Hand und allem?«
»Ich schaffe es schon.«
Eddie nickte und stellte den Fuß in die Schleife. Als Eddie nach Mittwelt gekommen war, hätte Roland ihn mühelos selbst hinunterlassen können, zwei fehlende Finger hin oder her, aber Eddie war schon seit Monaten ohne seine Droge und hatte zehn bis fünfzehn Pfund an Muskeln zugelegt. Roland akzeptierte Susannahs Hilfe dankbar, und sie ließen Eddie gemeinsam hinunter.
»Jetzt du, Lady«, sagte Roland und lächelte sie an. In letzter Zeit kam ihm zu lächeln ganz natürlich vor.
»Ja.« Aber zunächst stand sie nur da und biss sich auf die Unterlippe.
»Was ist los?«
Sie griff mit der Hand zum Bauch und rieb sich dort, als hätte sie Schmerzen oder Bauchgrimmen. Er dachte schon, sie würde es ihm erklären, aber sie schüttelte nur den Kopf und sagte: »Nichts.«
»Das glaube ich nicht. Warum reibst du dir den Bauch? Bist du verletzt? Bist du verletzt worden, als wir so plötzlich zum Stillstand gekommen sind?«
Sie nahm die Hand vom Kleid, als wäre die Haut unterhalb ihres Nabels heiß geworden. »Nein. Es geht mir gut.«
»Wirklich?«
Susannah schien sehr gründlich darüber nachzudenken. »Wir werden reden«, sagte sie. »Wir halten ein Palaver, wenn dir das lieber ist. Aber du hattest vorhin Recht, Roland – dies ist weder der Ort noch die Zeit.«
»Wir alle vier, oder nur du und ich und Eddie?«
»Nur du und ich, Roland«, sagte sie und stieß ihren Beinstumpf durch die Schlinge. »Nur eine Henne und ein Hahn, jedenfalls fürs Erste. Und jetzt lass mich bitte runter.«
Das tat er, sah sie dabei stirnrunzelnd an und hoffte von ganzem Herzen, dass sein erster Gedanke – der ihm sofort in den Sinn gekommen war, als er die unablässig reibende Hand gesehen hatte – nicht zutraf. Sie war in jenem sprechenden Ring gewesen, und der Dämon, der dort hauste, hatte mit ihr seinen Spaß gehabt, während Jake versuchte, zwischen den Welten überzuwechseln. Manchmal – oft – konnte der Kontakt mit einem Dämon alles verändern.
Und niemals zum Besseren, soweit Roland wusste.
Er zog das Seil zurück, nachdem Eddie ihr um die Taille gefasst und ihr auf das Bahngleis geholfen hatte. Der Revolvermann ging zu einem der Pfosten, die sich durch Blaines patronenförmige Schnauze gebohrt hatten, und band unterwegs das Ende des Seils zu einer Gleitschlinge. Diese warf er über den Pfosten, zurrte sie fest (wobei er sorgsam darauf achtete, dass er nicht nach links zog), und dann ließ er sich selbst auf den Bahnsteig hinunter, in der Beuge abgeknickt und Fußabdrücke auf Blaines rosafarbener Seite hinterlassend.
»Zu dumm, dass wir das Seil und das Tragegeschirr verlieren«, bemerkte Eddie, als Roland neben ihnen stand.
»Mir tut es nicht Leid um die Trage«, sagte Susannah. »Ich würde lieber auf dem Asphalt kriechen, bis ich Kaugummi an den Armen bis rauf zu den Ellbogen habe.«
»Wir haben gar nichts verloren«, sagte Roland. Er schob die Hand in die Fußschleife aus Wildleder und ließ sie heftig nach links schnappen. Das Seil rutschte vom Pfosten oben herunter, und Roland wickelte es fast so schnell auf, wie es herunterkam.
»Toller Trick!«, sagte Jake.
»Oller! Rick!«, stimmte Oy zu.
»Cort?«, fragte Eddie.
»Cort«, bestätigte Roland lächelnd.
»Der Ausbilder aus der Hölle«, sagte Eddie. »Besser du als ich, Roland. Besser du als ich.«
4
Als sie auf die Türen zum Bahnhofsgebäude zugingen, ertönte das tiefe, blubbernde Heulen erneut. Roland stellte amüsiert fest, dass seine Gefährten alle drei gleichzeitig die Nasen rümpften und die Mundwinkel nach unten zogen; damit
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