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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihn, bildeten einen schützenden Ring um ihn herum, und dem Revolvermann wurde ganz heiß vor Schuldgefühlen und Selbstekel. Was hatte er getan, um derart hingebungsvolle Beschützer zu verdienen? Was, einmal davon abgesehen, dass er sie so unbarmherzig wie ein Mann, der Unkraut in seinem Garten jätet, aus ihrem vertrauten Alltag herausgerissen hatte?
    Er versuchte ihnen zu sagen, dass alles in Ordnung sei, dass sie zurücktreten könnten, dass es ihm gut gehe, brachte aber keine Worte heraus; das schreckliche heulende Geräusch hatte ihn viele Jahre zurückversetzt, und zwar in jenem sackgassenartigen Canyon westlich von Hambry. Depape und Reynolds und der alte hinkende Jonas. Am meisten jedoch hasste er die Frau vom Berg, und zwar aus den schwarzen Tiefen der Gefühle, die nur ein sehr junger Mann erreichen konnte. Ah, aber wie hätte er etwas anderes tun können, als sie zu hassen? Sein Herz hatte man ihm gebrochen. Und nun, all die Jahre später, schien ihm das grässlichste Faktum menschlicher Existenz zu sein, dass gebrochene Herzen heilten.
    Zuerst durchfuhr mich’s: Lug ist, was er spricht,
    Der graue Krüppel mit dem tück’schen Blick…
    Wessen Worte? Wessen Gedicht?
    Er wusste es nicht, aber er wusste, dass auch Frauen lügen konnten; Frauen, die herumhüpften und grinsten und zu viel aus den Winkeln ihrer alten Triefaugen sahen. Es spielte keine Rolle, wer das Gedicht geschrieben hatte; diese Worte waren wahre Worte, und nur darauf kam es an. Weder Eldred Jonas noch die Vettel auf dem Berg hatten Martens Klasse gehabt – oder auch nur die von Walter –, was das Böse anlangte, aber sie waren böse genug gewesen.
    Dann, danach… in dem sackgassenartigen Canyon westlich der Stadt… dieses Geräusch… das, und die Schreie der verwundeten Männer und Pferde… Einmal in seinem Leben war selbst der stets unbeschwerte Cuthbert still gewesen.
    Aber das alles war lange her, in einem anderen Wann; im Hier und Jetzt war das heulende Geräusch entweder verstummt oder vorübergehend unter die Hörschwelle abgesunken. Aber sie würden es wieder hören. Das wusste er genauso gut, wie er wusste, dass er einen Weg beschritt, der ins Verderben führte.
    Er sah zu den anderen auf und brachte ein Lächeln zustande. Das Zittern in seinem Mundwinkel hatte aufgehört, und das war immerhin etwas.
    »Mir geht es gut«, sagte er. »Aber hört mich wohl an: Wir sind sehr nahe am Ende von Mittwelt und sehr nahe am Anfang von Endwelt. Die erste große Etappe unserer großen Suche ist zu Ende. Wir haben es gut gemacht; wir haben das Angesicht unserer Väter nicht vergessen; wir haben standhaft zusammengestanden und waren wahrhaftig zueinander. Aber nun sind wir zu einer Schwachstelle gelangt. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
    »Einer Schwachstelle?«, sagte Jake und sah sich unruhig um.
    »Stellen, wo das Gewebe der Existenz fast völlig abgenutzt ist. Es werden immer mehr, da die Macht des Dunklen Turms nachlässt. Erinnert ihr euch, was wir unter uns gesehen haben, als wir Lud verlassen haben?«
    Sie nickten ernst und dachten an den Boden, der zu schwarzem Glas geschmolzen war, an uralte Leitungen, in denen türkisfarbenes Hexenlicht leuchtete, an missgestaltete, verkrüppelte Vögel mit Schwingen wie große Segel aus Leder. Roland konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, dass sie so um ihn herumstanden und auf ihn herabsahen wie Leute um einen Raufbold, der bei einer Kneipenschlägerei gestürzt war.
    Er hob die Hände zu seinen Freunden – seinen neuen Freunden. Eddie ergriff sie und half ihm auf die Füße. Der Revolvermann konzentrierte seine ganze Willenskraft darauf, nicht zu schwanken, und stand schließlich aufrecht da.
    »Wer war Susan?«, fragte Susannah. Die Falte in der Mitte ihrer Stirn deutete darauf hin, dass sie beunruhigt war, und zwar nicht nur durch eine zufällige Ähnlichkeit der Namen.
    Roland sah sie an, dann Eddie, dann Jake, der sich hingekniet hatte, damit er Oy hinter den Ohren kraulen konnte.
    »Ich werde es euch erzählen«, sagte er, »aber dies ist weder der Ort noch die Zeit.«
    »Das sagst du immer wieder«, antwortete Susannah. »Du hältst uns nicht wieder nur hin, oder?«
    Roland schüttelte den Kopf. »Ihr werdet meine Geschichte hören – wenigstens den dies betreffenden Teil davon –, aber nicht auf diesem Kadaver aus Metall.«
    »Ja«, sagte Jake. »Hier oben zu sein ist, als würde man auf einem toten Dinosaurier spielen oder so. Ich denke immer, Blaine könnte jeden Moment

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