Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Leute von Hambry sagten, ohne großes Interesse. In der Nähe standen einige rostige Flaschen, in denen Gas abgefüllt und transportiert werden konnte.
»Hast du solche schon gesehen?«, fragte sie.
Er nickte.
»Die Inneren Baronien müssen sehr seltsam und wunderbar sein«, sagte Susan.
»Ich komme allmählich zu der Überzeugung, dass sie nicht seltsamer und wunderbarer als die des Äußeren Bogens sind«, sagte er und drehte sich langsam um. Er streckte den Arm aus. »Was ist das da unten für ein Gebäude? Übrig geblieben vom Alten Volk?«
»Aye.«
Östlich vom Citgo-Areal fiel das Gelände als bewaldeter Steilhang ab, durch dessen Mitte eine Straße gewalzt worden war – im Mondschein war diese Straße so deutlich zu erkennen wie ein Scheitel. Nicht weit vom Grund des Hangs entfernt stand ein baufälliges, von Geröll umgebenes Haus. Das Durcheinander stammte von den Überresten umgestürzter Schornsteine – so viel konnte man aus dem Vorhandensein derer schließen, die noch standen. Was immer das Alte Volk sonst noch getrieben hatte, sie hatten eine Menge Rauch erzeugt.
»Als mein Da’ noch ein Kind war, gab es nützliche Sachen da unten«, sagte sie. »Papier und so was – sogar ein paar Füllfederhalter, die noch funktionierten… jedenfalls eine Zeit lang. Wenn man sie fest schüttelte.« Sie zeigte auf eine Stelle links des Gebäudes, wo ein riesiger Platz lag, dessen gepflasterte Oberfläche zerbröckelt war und auf dem ein paar rostige Karossen standen, die seltsamen, pferdelosen Transportmittel des Alten Volkes. »Einst lag da drüben etwas, das wie die Gastanks ausgesehen hat, nur viel, viel größer. Wie riesige silberne Dosen. Die sind nicht gerostet, ganz anders als die, die jetzt noch erhalten sind. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist, wenn sie nicht jemand als Wassertanks fortgeschleppt hat. Ich hätte das nie getan. ’s wäre ein Unglück, selbst wenn sie nicht verseucht gewesen sind.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu, und er küsste sie im Mondschein auf den Mund.
»O Will, was für ein Jammer für dich.«
»Was für ein Jammer für uns beide«, sagte er, und dann sahen sie sich mit einem der langen und schmachtenden Blicke an, deren nur Teenager fähig waren. Schließlich wandten sie sich wieder ab und gingen Hand in Hand weiter.
Sie konnte nicht sagen, was ihr mehr Angst machte – die wenigen Fördertürme, die noch pumpten, oder diejenigen, die ausgefallen waren. Eines wusste sie aber mit Sicherheit, dass nämlich keine Macht der Welt sie an diesen Ort gebracht hätte, ohne einen Freund in der Nähe zu haben. Die Pumpen heulten; ab und zu schrie ein Zylinder wie jemand, der abgestochen wurde; in regelmäßigen Abständen loderte »die Fackel« mit einem Geräusch wie der Atem eines Drachen empor und warf lange Schatten vor die beiden. Susan hielt die Ohren gespitzt, um den gellenden Zwei-Ton-Pfiff der Nachtschwalbe nicht zu verpassen, hörte aber nichts.
Sie kamen zu einem breiten Weg – einst zweifellos eine Zufahrtsstraße für die Wartung –, der das Ölfeld in zwei Teile teilte. In der Mitte verlief ein Stahlrohr mit verrosteten Nahtstellen. Es lag in einem tiefen Betongraben, sodass nur die rostige obere Hälfte über dem Erdboden zu sehen war.
»Was ist das?«, fragte er.
»Das Rohr, mit dem das Öl zu jenem Gebäude befördert wurde, glaube ich. Es bedeutet nichts, es ist seit Jahren trocken.«
Er ließ sich auf ein Knie nieder und schob die Hand behutsam in den Raum zwischen der Betonhülle und dem rostigen Rohr. Sie sah ihm unruhig zu und biss sich auf die Lippen, damit sie nichts sagte, was sich zweifellos kläglich oder weibisch anhören würde: Was ist, wenn es giftige Spinnen da unten in der vergessenen Dunkelheit gibt? Oder wenn er mit der Hand stecken blieb? Was würden sie dann machen?
Die letztere Möglichkeit zumindest hatte nicht ernstlich bestanden, wie sie sah, als er die Hand wieder herauszog. Sie war verschmiert und schwarz von Öl.
»Seit Jahren trocken?«, fragte er mit einem leichten Lächeln.
Sie konnte nur verdutzt den Kopf schütteln.
14
Sie folgten der Leitung bis zu einer Stelle, wo ein halb verfallenes Tor die Straße versperrte. Das Rohr (selbst im schwachen Mondlicht konnte sie nun überall Öl aus den alten Nahtstellen sickern sehen) duckte sich unter dem Tor hindurch, und sie kletterten darüber. Sie fand, dass sich seine Hände zu intim für einen galanten Begleiter gaben, als er ihr dabei half, genoss aber jede
Weitere Kostenlose Bücher