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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Göttern Dank«, sagte sie und lachte zerstreut. Dann kam sie näher zu ihm, so nahe, dass er alle Willenskraft aufbieten musste, sie nicht wieder in die Arme zu nehmen. Sie sah ihm neugierig ins Gesicht. »Wer bist du wirklich, Will?«
    »Fast der, der ich zu sein vorgebe. Das ist ja der Witz, Susan. Meine Freunde und ich wurden nicht hierher geschickt, weil wir getrunken und Unsinn gemacht haben, aber wir wurden auch nicht hergeschickt, um dunkle Machenschaften oder eine heimliche Verschwörung aufzudecken. Wir sind einfach Jungs, die man in Zeiten der Gefahr aus dem Weg haben wollte. Was seither alles geschehen ist…« Er schüttelte wieder den Kopf, um zu zeigen, wie hilflos er sich fühlte, und Susan dachte wieder an ihren Vater, der gesagt hatte, dass das Ka wie der Wind sei – wenn es komme, könne es einem die Hühner, das Haus, die Scheune nehmen. Sogar das Leben.
    »Und ist Will Dearborn dein richtiger Name?«
    Er zuckte die Achseln. »Ein Name ist so gut wie der andere, dünkt mir, wenn das Herz, das zu ihm gehört, aufrichtig ist. Susan, du bist heute im Haus des Bürgermeisters gewesen, mein Freund Richard hat dich hinreiten sehen…«
    »Aye, stimmt«, sagte sie. »Ich soll das diesjährige Erntemädchen sein – bedenke, das ist Harts Entscheidung, ich hätte sie nie und nimmer selbst getroffen. Es ist reichlich albern, und obendrein garantiert hart für Olive.«
    »Du wirst das schönste Erntemädchen aller Zeiten sein«, sagte er, und die klare Aufrichtigkeit seiner Stimme machte sie vor Freude erschauern; ihre Wangen wurden wieder warm. Zwischen dem Mittagsschmaus und dem Freudenfeuer bei Dämmerung musste das Erntemädchen fünfmal das Kostüm wechseln, und jedes war üppiger als das vorhergehende (in Gilead wären es neun gewesen; was das anging, wusste Susan gar nicht, wie glücklich sie sich schätzen konnte), und für Will hätte sie alle fünf mit Freuden getragen, wäre er zum Erntejüngling bestellt worden. (Der diesjährige Jüngling war Jamie McCann, ein blasser und pickliger Ersatz für Hart Thorin, der rund vierzig Jahre zu alt und viel zu ergraut für die Aufgabe war.) Noch glücklicher wäre sie gewesen, das sechste für ihn zu tragen – ein silbernes Nachtgewand mit hauchdünnen Trägern, dessen Saum unmittelbar an den Oberschenkeln aufhörte. Dieses Kostüm würde außer ihrer Zofe Maria, ihrer Schneiderin Conchetta und Hart Thorin keiner je zu sehen bekommen. Sie würde es tragen, wenn sie den alten Mann nach dem Fest als dessen Feinsliebchen zu seinem Lager begleitete.
    »Als du da warst, hast du da diejenigen gesehen, die sich selbst die Großen Sargjäger nennen?«
    »Ich habe Jonas und den mit dem Mantel gesehen, sie standen im Hof beisammen und haben geredet«, sagte sie.
    »Nicht Depape? Den Rothaarigen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Kennst du das Spiel Kastell, Susan?«
    »Aye. Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich noch klein war.«
    »Dann weißt du, dass die roten Spielfiguren an einem Ende und die weißen am anderen stehen. Wie sie um die Hügel kommen, sich einander nähern und dabei Schutzwehren als Deckung aufbauen. Was hier in Hambry vor sich geht, ist dem sehr ähnlich. Und wie bei dem Spiel ist die Frage inzwischen, wer als Erster aus seiner Deckung herauskommen wird. Hast du das verstanden?«
    Sie nickte einmal. »In dem Spiel ist der Erste, der hinter seinem Hügel hervorgekommen ist, verwundbar.«
    »Im Leben auch. Immer. Aber manchmal ist es eben schwierig, in Deckung zu bleiben. Meine Freunde und ich haben inzwischen so gut wie alles gezählt, was wir zu zählen wagten. Um den Rest zu zählen…«
    »Die Pferde auf der Schräge beispielsweise.«
    »Aye, zum Beispiel. Wenn wir sie zählen würden, müssten wir unsere Deckung verlassen. Oder die Ochsen, von denen wir auch wissen…«
    Sie zog die Brauen hoch. »Es gibt keine Ochsen in Hambry. Du musst dich irren.«
    »Kein Irrtum.«
    »Wo?«
    »Auf der Rocking H.«
    Nun glitten ihre Brauen wieder nach unten, während sie sie nachdenklich zusammenzog. »Das ist Laslo Rimers Ranch.«
    »Aye – Kimbas Bruder. Und das sind nicht die einzigen Schätze, die derzeit in Hambry versteckt werden. Es gibt zusätzliche Wagen, zusätzliches Stallzeug, die in den Scheunen von Mitgliedern des Pferdezüchterverbands versteckt werden, zusätzliche Futtersäcke…«
    »Will, nein!«
    »Doch. Das alles und mehr. Aber wenn wir sie zählen würden – wenn man uns sieht, wie wir sie zählen –, müssten wir unsere Deckung

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