Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
inspizierte die lange Linie der ineinander verflochtenen Kiefernzweige, dann blieb er an einer Stelle stehen und zog dort mehrere beiseite. Auf diese Weise schuf er einen Durchgang und winkte ihr, dass sie hineinkriechen sollte. »Sei auf der Hut«, sagte er. »Ich bezweifle zwar, dass sie sich die Mühe gemacht haben, Fallen oder Stolperdrähte einzurichten, aber es ist immer besser, vorsichtig zu sein.«
Hinter dem Schutz der Äste waren die Tanks so ordentlich aufgereiht worden wie Spielzeugsoldaten beim abendlichen Aufräumen, und Susan sah sofort den Grund, weswegen sie versteckt worden waren: Man hatte sie wieder mit Rädern ausgestattet, handwerklich perfekten Rädern aus massivem Eichenholz, die Susan bis zur Brust reichten. Jedes war mit einem Eisenstreifen beschlagen. Die Räder waren neu, die Streifen ebenso, und die Naben waren handgemacht. Susan kannte nur einen Schmied in der Baronie, der eine so hervorragende Arbeit abliefern konnte: Brian Hookey, bei dem sie Felicias neue Hufeisen geholt hatte. Brian Hookey, der gelächelt und ihr auf die Schulter geklopft hatte wie ein compadre, als sie mit dem Beutel ihres Da’ an der Hüfte zu ihm gekommen war. Brian Hookey, der einer der besten Freunde von Pat Delgado gewesen war.
Sie erinnerte sich, wie sie sich umgesehen und gedacht hatte, dass die Zeiten es gut mit Sai Hookey gemeint hatten, und natürlich hatte sie Recht gehabt. Das Schmiedehandwerk hatte Hochkonjunktur gehabt. Hookey hatte eine Menge Räder und Eisenbänder angefertigt, und jemand musste ihn dafür bezahlt haben. Eldred Jonas war da die eine Möglichkeit; noch wahrscheinlicher erschien aber Kimba Rimer. Hart? Das wollte sie nicht glauben. Harts Verstand – das bisschen, was noch davon übrig war – beschäftigte sich in diesem Sommer mit anderen Dingen.
Hinter den Tanks verlief eine Art Trampelpfad. Roland schritt ihn langsam entlang, ging dabei wie ein Prediger mit auf dem Rücken verschränkten Händen und las die unverständlichen Worte, die auf den Seiten der Tanks geschrieben standen: CITGO . SUNOCO . EXXON . CONOCO . Einmal blieb er stehen und las laut und stockend: »Sauberer Treibstoff für ein besseres Morgen.« Er schnaubte leise. »Von wegen! Dies ist das Morgen.«
»Roland – ich meine, Will –, wozu sind die da?«
Zuerst antwortete er nicht, sondern drehte um und ging die Reihe der glänzenden Stahltanks zurück. Vierzehn auf dieser Seite der auf geheimnisvolle Weise reaktivierten Rohrleitung und, wie sie vermutete, dieselbe Anzahl auf der anderen. Beim Gehen schlug er mit der Faust gegen jeden. Die Schläge klangen dumpf und flach. Die Tanks waren mit dem nutzlosen Öl des Citgo-Ölfelds gefüllt.
»Sie wurden wahrscheinlich schon vor einiger Zeit gefüllt«, sagte er. »Ich bezweifle, dass es die Großen Sargjäger ganz allein vollbracht haben, aber sie hatten zweifellos die Aufsicht… Zuerst wurden die neuen Räder angebracht, um die alten und verrotteten Gummireifen zu ersetzen, dann wurden sie gefüllt. Sie haben die Tanks mit den Ochsen hierher geschleppt, zum Fuß des Hügels, weil es praktisch war. Ebenso, wie es praktisch ist, die überzähligen Pferde draußen auf der Schräge laufen zu lassen. Weil wir hierher nach Mejis gekommen sind, schien es geboten, die Tanks als Vorsichtsmaßnahme abzudecken. Wir mögen in deren Augen dumme Babys sein, aber womöglich halten sie uns für schlau genug, dass wir uns über achtundzwanzig gefüllte Öltanks mit neuen Rädern gewundert hätten. Also sind sie hierher gekommen und haben sie abgedeckt.«
»Jonas, Reynolds und Depape.«
»Aye.«
»Aber warum das Ganze?« Sie nahm ihn am Arm und wiederholte ihre Frage. »Wozu sind die da?«
»Sie sind für Farson bestimmt«, sagte Roland mit einer Gelassenheit, die er eigentlich nicht verspürte. »Für den Guten Mann. Der Bund weiß, dass er eine Anzahl Kriegsmaschinen gefunden hat; sie stammen entweder vom Alten Volk oder aus einem anderen Wo. Aber der Bund fürchtet sie nicht, weil sie nicht funktionieren. Manche glauben, dass Farson den Verstand verloren haben muss, sein Vertrauen in diese kaputten Maschinen zu setzen, aber…«
»Aber vielleicht sind sie gar nicht kaputt. Vielleicht brauchen sie nur dieses Zeug. Und vielleicht weiß Farson das.«
Roland nickte.
Sie strich über einen der Tanks. Ihre Finger wurden ölig. Sie rieb die Fingerspitzen aneinander, roch daran, bückte sich und riss ein Büschel Gras heraus, um sie abzuwischen. »Das funktioniert in unseren
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