Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
und warme Packungen auf den Leib legte. Aber geholfen hatte das alles nichts – und man brauchte eigentlich keine hellseherischen Fähigkeiten, um den Tod der Frau vorauszusehen.
Konstanze versuchte, nicht an diese letzte Vision zu denken und sie vor allem nicht zu deuten. Das missglückte nachihren Erfahrungen immer. Besser war es, das Ganze genau so zu erzählen, wie sie es gesehen hatte. Die Erwachsenen fanden dann schon ein Ereignis, zu dem es passte.
Und das Beste war überhaupt zu schweigen. Wenn sie das von Anfang an getan hätte, wäre sie jetzt nicht an diesem Ort. Aber zu Anfang war Konstanze noch sehr klein gewesen und hatte Vision und Wirklichkeit verwechselt. Mitunter verfiel sie auch in Trance, wenn andere Leute dabei waren. Die fragten dann natürlich, was sie gesehen hatte.
Während Konstanze noch grübelte, erschien eine junge Nonne an der Pforte, um das Mädchen und seinen Vater abzuholen. Sie knickste höflich, sah Philipp von Katzberg aber nicht an. Konstanze betrachtete sie dafür umso neugieriger. Ob ihr zweifelhafter Ruhm wohl schon bis ins Kloster gedrungen war?
»Die Ehrwürdige Mutter erwartet Euch«, bemerkte die Nonne. Sie trug einen reinweißen Schleier, der sie als Novizin auszeichnete. »Es wird gleich zur Non läuten. Ihr möchtet Euch beeilen, da Ihr spät seid.«
Nach besonders herzlichem Willkommen klang das nicht. Philipp von Katzberg fühlte sich denn auch gleich bemüßigt, Entschuldigungen auszusprechen. Er ärgerte sich jetzt, seiner lebenshungrigen Tochter den Jahrmarktsbesuch erlaubt zu haben. Konstanze selbst bereute nichts. Sie hatte den Geschmack der Rostbratwürstchen noch auf der Zunge – und auch das innerliche Beben war noch nicht völlig verebbt, das die Worte der Wahrsagerin in ihr ausgelöst hatten.
Ich sah dich in den Armen eines Königs.
Wider alle Vernunft wollte Konstanze an einen schönen, starken Mann in seidenen Kleidern und mit einer goldenen Krone auf dem Haupt glauben – und nicht an den König des Himmels, dem man sie an diesem Tag noch anverloben wollte.
Die Novizin begleitete Konstanze und ihren Vater durch den Klostergarten auf eines der Backsteingebäude zu. Eine weitläufige Anlage – Konstanze atmete auf. Man würde siealso nicht einmauern, wie damals die kleine Hildegard im Kloster Disibodenberg.
Wahrscheinlich war es ganz unsinnig, dass sie immer größere Angst empfand, je näher sie den Räumen der Mutter Oberin kamen. Dies war ein großes, bekanntes Kloster, und Mädchen aus den besten Häusern bewarben sich um die Aufnahme. Schon Hildegard von Bingen hatte nur hochadelige Novizinnen angenommen, und mitunter hatten Kirchenfürsten sie dafür gescholten, dass sie den Frauen ein Dasein in gewissem Wohlstand gestattete. Konstanze erwartete an diesem Ort wahrscheinlich ein besseres Leben denn als Gattin eines Mannes aus dem Ministerialenstand. Sie würde weniger arbeiten müssen als ihre Mutter und Großmutter, sie würde lesen und schreiben lernen, musizieren und handarbeiten. Wobei die Nonnen auf dem Rupertsberg sicher nicht mit kratziger Wolle webten, sondern feinstes Linnen herstellten, das sie dann bestickten.
Konstanze rief sich alles vor Augen, was ihr die Mutter und auch Irmtraud von Aubach, die Gattin des Grafen, vom Leben der Benediktinerinnen erzählt hatten. Und trotzdem … ihr Herz schlug heftig, als die junge Nonne sie nun durch lange Korridore führte und schließlich an eine schwere Eichentür klopfte.
»Ehrwürdige Mutter … der Herr von Katzbach wäre jetzt hier …«
Konstanze verfolgte, wie die Novizin sich zuerst ins Zimmer schob und dort in einen tiefen Knicks versank.
Eine tiefe Stimme antwortete ihr. »Gut, Renate, du kannst dann zur Kirche gehen. Beginnt das Gebet ruhig ohne mich, ich stoße dann zu euch, sobald ich hier fertig bin … Tretet ein, Herr von Katzberg. Ich habe Euch bereits erwartet.«
Philipp von Katzberg schob Konstanze vor sich her in das Zimmer der Oberin, das zu ihrer Verwunderung kaum weniger vornehm ausgestattet war als die Kemenate der Frau von Aubach. Es gab Teppiche, kunstvoll geschnitzte Truhen,ein prasselndes Kaminfeuer, bequeme Stühle mit gedrechselten Beinen – und sogar weiche Kissen. Konstanze bemerkte ein Stehpult, auf dem ein schweres, aufgeschlagenes Buch lag. Sie hätte sich zu gern die Bilder, die ihr in verlockenden Farben und teilweise vergoldet entgegenleuchteten, darin angesehen. Aber vorerst bannte die Äbtissin des Rupertsberger Klosters den Blick des Mädchens.
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