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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Tag lichtgeflutet: Der Blick aus dem Fenster schmerzt in den Pupillen. Sie geben ein Zeichen, worauf die Kellnerin mit einem winzigen Block in der Hand auf sie zutritt, unlesbare Ziffern aufs Papier kritzelt und einen Betrag nennt, der auch völlig aus der Luft gegriffen sein könnte. Fil zahlt, lässt es sich nicht nehmen, für Daniel zu zahlen, einmal für Daniel zu zahlen, und dann treten die beiden in den Tag, Vater und Sohn, ins Grelle hinaus, streifen über die nasse Wiese zurück, deren Feuchtigkeit nicht mehr zu spüren ist, weil nur noch Licht zu spüren ist, kommen wieder am Kinderspielplatz vorbei, dem Piratenschiff, und lassen es sich diesmal nicht nehmen, in den Aussichtskorb zu klettern, beginnen ein erstes Mal albern zu lachen, gemeinsam zu lachen, erst vorsichtig, dann erneut, steigen in die Schalen, die man mit einem Kettenseilzug selbst bewegen kann, rufen Leinen los! und stoßen das Spielplatzschiff in die Fluten. Die Hände schützend über die Augen gelegt und den Horizont nach Beute absuchend grölen sie, das heißt, Daniel grölt, Fil schnauft kurzatmig, dass sie es den Pfeffersäcken zeigen, dass sie jetzt ganz andere Saiten aufziehen werden. Der Orkan fegt über die See, knirscht bedrohlich im Pappelgeäst, schiebt das Schiff unaufhaltsam vorwärts, durch die Brandung, durch das tobende Meer, sie segeln hart am Wind, und Fil fällt, der Bugpeitscht die Salzgischt , eine Homer-Übersetzung ein. Schließlich kommt Daniel auf Drogen und Sex, Drogen und Fernsehen, Drogen und Drogen zu sprechen, als wolle er Fil etwas beweisen, als wolle er ein verwegenes Leben andeuten, ein Leben, das dem Fils ähnelt, das dem Bild ähnelt, das Daniel von Fils Leben hat, und der Vater lässt sich vom Mast in den Sand fallen, stürzt sich wie ein Sack herunter, so dass ein Passant, den Hut ins Gesicht gezogen, die Krempe mit einer Hand festklammernd, verwundert herüberblickt. Kurz darauf springt auch Daniel hinunter, streckt die Arme theatralisch vom Körper, bohrt das Gesicht, die Nase, den Mund tief in den Sand, bis die Körner, der fein gemahlene Quarz, zwischen den Zähnen knirschten. Sie lachen.
    Als sie später am Krankenhauseingang stehen und voneinander Abschied nehmen, fragt Daniel nicht, wie es weitergeht. Obwohl der Vater blass aussieht, fahl, unruhig nach Luft schnappt, erklärt Daniel nur kurz, dass er die Tage wieder kommen werde, sehen müsse, wie viel an der Uni zu tun sei, und dann nehmen sie sich zum Abschied schnell, flüchtig, als seien sie sich ihrer Geste nicht sehr sicher, in den Arm.
 
    Tatsächlich kehrt Daniel, der sonst nie zögert, Hilfe anzubieten oder zumindest Anteilnahme zu signalisieren, der in seinem Tennis-Wear-Look und mit den höflichen Umgangsformen immer ein wenig wie der ideale Schwiegersohn wirkt, in den darauffolgenden Tagen nicht ins Krankenhaus zurück. Er denkt, dass ein Vater, der sein Krankenbett verlässt, um sich zu betrinken, sich auf einem Kinderspielplatz in den Sand zu werfen, nicht wirklich krank sein kann, nicht so, dass man ihn täglich besuchen müsste; denkt daran, dass in drei Fächern Prüfungen anstehen und das Bafög gestrichen wird, wenn man nicht in der vorgesehenen Zeit studiert, denkt, dass er keinen Grund hat, für einen Vater da zu sein, der in seinem Leben nicht für ihn da war. Er besucht also weiter seinen Unterricht, hört Neuere französische Literatur, Didaktik II , Politische Geschichte der Weimarer Republik, lernt diszipliniert für seine Prüfungen, verbringt die Abende mit Steffen zu Hause oder in der Lamola-Bar, die sie in ein verlängertes Wohnzimmer verwandelt haben. Sie hören Musik oder unterhalten sich über Musik, kümmern sich um die virtuellen Felder und Tiere bei FarmVille, bringen ihre Ernte ein, auf einem Bauernhof ist immer etwas zu tun und die Arbeit entspannt, oder gehen in den Park und schließen Freundschaften, denn die beiden sind neu in der Stadt, sind neugierig auf andere, setzen sich mit ein paar Dosen Bier an den Kanal und sprechen mit neuen Bekannten über Reisen, ein Auslandssemester, einen neuen Club, den man sich anschauen sollte, aber nicht über Fil.
    Alles geht seinen üblichen Gang. Daniel fährt mit der U-Bahn zur Universität hinaus, reiht sich in die Masse ein, die – Retro-Adidas-Taschen an den Schultern, in Zeitungen, Bücher, Reader vertieft, mit ihren Handys beschäftigt – in die Seminare und wieder nach Hause strömt, checkt E-Mails, die Facebook-Seite, die Feldfrüchte bei FarmVille, einen

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