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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Betten,deren letzte Belegung soeben entlassen wurde oder verstarb, Betten, in denen Patienten liegen, die mehr oder weniger zuversichtlich auf Heilung hoffen.
    Ein eigenartiger Gedanke, dass Heilung nicht eintreten könnte. Dass es Krankheiten gibt, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Tod führen. Was weiß man als 25-Jähriger vom Tod?
    Aber weiß man mehr über ihn, wenn man 48 ist?
    Sie fahren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und spazieren durch die ans Krankenhaus grenzenden Grünanlagen. An einem Kinderspielplatz vorbei, einem Piratenschiff mit Kettenseilzug, auf dem man sich selbst über einen Abgrund ziehen kann. Auf dem Daniel sich jetzt gern selbst über den Abgrund zöge.
    Er fragt sich, ob der Vater das Krankenhaus überhaupt verlassen darf. Ob ihm nicht strengste Bettruhe verschrieben worden ist.
    Der Vater, der Philippe heißt, aber von allen Fil genannt wird, sieht ein wenig aufgeschwemmt aus, durch Medikamente aufgedunsen, doch Daniel erkundigt sich nicht nach der Krankheit, weiß auch so, dass der Vater nur schlecht Luft bekommt, sein Kreislauf schwach ist, die Ärzte wenig Hoffnung auf eine baldige Genesung machen.
    Daniel fragt nicht weiter nach und hat doch so viel verstanden, dass die entzündete Lunge sich verhärtet und ihr Volumen allmählich abnimmt, bis man erstickt.
    Man.
    Sie schreiten still nebeneinander her, das Rascheln der Pappeln ohrenbetäubend, und Daniel denkt: nicht der richtige Augenblick für Sentimentalitäten, große Vater-Sohn-Gefühle, denkt: es wäre Sache des Vaters, zu sprechen. Sichzu erklären, verständlich zu machen, ihm nach all den Jahren zu sagen, was in seinem Leben so wichtig war, dass Daniels Existenz so unwichtig war. Es läge beim Vater, sich zu entschuldigen.
    Die Bäume biegen sich scharf im Sturm, werfen Äste hin und her, Laubbüschel, immer wieder knackt es bedenklich im Holz.
    Fil exklamiert: Scheißbäume, Pappeln sind Scheißbäume, ein bisschen Wind und die fallen um. Könnte man ins Sparprogramm integrieren, spart man sich teure Operationen mit, man stellt die teuren Patienten einfach im Sturm unter Pappeln ab.
    Dann bleibt er stehen, hält sich die Brust. Bekommt mitten in diesem Sturm, dieser Luftwalze, keine Luft mehr. Hört aber trotzdem nicht auf:
    Andererseits ein dankbarer Tod … Irgendwie spirituell … Hast du schon mal Bäume umarmt? Ich habe ja gehört, junge Leute machen heute so was: Bäume umarmen, sich in den Baumwipfeln festketten …
    Ein herausfordernder Blick.
    Ihr seid eine niedliche Generation.
    An Bäumen festketten?
    Junge Globalisierungskritiker machen so was, behauptet der Vater.
    Ich bin kein Globalisierungskritiker.
    Stimmt. Fil grinst. Erschöpft, aber übers ganze Gesicht. Daniel weiß, was er denkt, aber nicht ausspricht: Stimmt, für Politik hast du dich noch nie interessiert, du stehst auf Facebook, Trendsportarten, setzt auf etwas Sicheres, studierst auf Lehramt.
    Eigentlich hat es die bei uns auch schon gegeben, schiebt erhinterher. Spirituelle Baumfreunde. Sind nur nicht so aufgefallen.
    Damals.
    Auf der anderen Seite vom Park gebe es einen Biergarten, wechselt er unvermittelt das Thema, und er habe Appetit auf Brezeln. Torkelnd setzt er sich in Bewegung, und Daniel fragt sich, ob der Vater Angst hat, ob das Motto »Lebe wild und gefährlich!« auch dann gilt, wenn man fast nicht mehr lebt.
    Sie lassen den Kinderspielplatz hinter sich und stapfen über eine nasse Wiese, der Stoff der Hose saugt sich mit Feuchtigkeit voll. Daniel versucht so wenig wie möglich mit der Natur in Berührung zu kommen, stakst wie ein Storch, Fil dagegen schlurft, zieht die Füße faul hinter sich her, hat innerhalb kürzester Zeit nasse Turnschuhe und Jeans. Der Vater sollte auf dem Weg bleiben, denkt Daniel, Acht geben, dass er sich keine Erkältung einfängt. In seinem Zustand kann jeder harmlose Schnupfen zu einer Lungenentzündung werden, doch offensichtlich genießt Fil das Gefühl, durch das Gras zu laufen, mit den Fingern nach den geschlossenen Blüten zu greifen, Blüten, die nur einen Strich Klatschmohnrot erahnen lassen; genießt den Wind, der durch die Sträucher fährt und Tropfen von den Büschen schleudert.
    Er wirkt gar nicht so krank, denkt Daniel, als sie die Kneipe erreichen, und spricht den Gedanken dann auch aus.
    Ich bin gar nicht so krank, antwortet Fil.
    Ich sterbe nur.
    Um dann plötzlich doch wieder niedergeschlagen, ängstlich, verloren auszusehen.
 
    Seit vier Monaten sehen sie sich öfter, seit Daniel

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