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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Chat, sortiert Uni-Unterlagen oder Dateien auf dem Computer, geht mit Steffen Beach-Volleyball spielen und landet wieder in der Bar, ihrem verlängerten Wohnzimmer. Immer ist etwas zu tun, immer etwas Anderes, immer sind sie in Bewegung.
    Nur einmal, an einem dieser Tage, auf der wandernden Ellipse, die immer wieder den gleichen Ausgangspunkt durchquert, geht Daniel unvermittelt der Gedanke durch denKopf – er steht an einem Gleis und wartet auf die S-Bahn, spürt die feuchte, für die Jahreszeit viel zu kühle Zugluft unter den Kleidern die Haut hinaufkriechen, denkt nicht an Fil, die Überlegung hat mit der Krankheit seines Vaters in diesem Augenblick nichts zu tun, nicht unmittelbar zu tun, das glaubt er zumindest –, dass seine Geschäftigkeit bedeutungslos ist, sein Leben einer Mühle gleicht, die sich dreht, ohne dass er von der Stelle käme, die einen zermalmt; denkt Daniel zum ersten Mal kurz, dass in seinem Leben etwas nicht stimmt.
 
    Bevor er noch einmal ins Krankenhaus zurückkehrt, zurückkehren muss, trifft er sich auch noch einmal mit einer Frau. Sie waren sich auf einer Geburtstagsfeier begegnet, standen eine Stunde gemeinsam in einem größeren Kreis, die meiste Zeit wurde über Filme von Ridley Scott, vietnamesisches Essen und das Studium geredet, doch zu zweit kamen die beiden, kamen Daniel und die Frau erst ins Gespräch, als die Runde sich längst aufgelöst hatte, er durch den Türrahmen beobachtete, wie ihr, sie war im Begriff zu gehen, hielt ihren Beutel in der Hand, ein Adressbuch aus der Tasche fiel. Ohne Hintergedanken trug er ihr das Adressbuch hinterher, und sie lächelte ihn an, legte ihm dankbar die Hand auf die Schulter, notierte ihm nach einer kurzen Unterhaltung ihre Nummer auf einen Zettel.
 
    Sie sehen sich unter der Hochbahn am Schlesischen Tor: Nässe glänzt auf dem Asphalt, in Pfützen spiegeln sich Taxi-Zeichen und bunte Imbissreklamen, es riecht nach Holzkohle, geschmolzenem Käse, Autoabgasen, türkischem Gebäck. Die Frau läuft die U-Bahn-Treppe hinunter, ihre Haare federn ein wenig, sie gibt ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Dann spazieren die beiden die Straße Richtung Ortseingang Treptow , Richtung Bezirksgrenze hinunter, vorbei an Brachen, auf denen sich Baufirmen in Stellung gebracht haben, vorbei an neuen Bars, schlängeln sich durch Horden ausländischer Touristen, die für ein paar Longdrinks aus London oder Mailand eingeflogen sind und jetzt grölend von Kneipe zu Kneipe ziehen, und die Frau, die Charlotte oder Nina oder Sarah heißt, ihren Namen hat Daniel vergessen, und die schon länger Berlinerin oder schon vor Längerem zugezogene Hessin, auf jeden Fall ortskundig ist, nimmt die Unterhaltung in die Hand. Wieder kommen sie auf einen Ridley-Scott-Film zu sprechen, einen, der ihr gefallen habe, der sich von dem Kriegsepos, von dem auf der Party die Rede war, wohltuend absetze, eine Drogenhändlergeschichte, der Titel falle ihr nicht ein, und Daniel erinnert sich, den Film gesehen zu haben, hat dessen Handlung aber schon fast wieder vergessen, und nutzt die Gelegenheit, sich die Story in schnellen, knappen Sätzen von der Frau rekapitulieren zu lassen.
    Der Nieselregen hält sie davon ab, die Straße bis zur Bezirksgrenze hinunterzugehen, bis zum Ortseingang Treptow , wie sie es ursprünglich vorhatten, und so landen sie schließlich im Slovenska , einer Kneipe im Siebzigerjahre-Chic mit den dazugehörigen Tapeten, bestellen sich polnischen Wodka, und die Frau – Sarah, Nina, Charlotte: Daniel überlegt, wie er den Namen unauffällig erfragen könnte – trinkt das Glas ansatzlos leer, als Reinsacker . Er macht es ihr nach, und der frostige Eisbrecher wirkt, sie beginnen, gut gelaunt, zunächst gut gelaunt, über persönlichere Dinge zu reden, über Musik, Reiseziele, das Auslandssemester, undkommen plötzlich unversehens auf ihre Familien zu sprechen. Daniels Stimmung wird merklich schlechter, trotzdem erstattet er, stichpunktartig, Bericht: dass er in Niedersachsen aufgewachsen sei, in einer kleinen, in den sechziger Jahren errichteten Siedlung, und die Mutter nach wie vor in Göttingen wohne, einer Kleinstadt, in der für eine Kleinstadt relativ viel los ist , während Fil, Daniel vermeidet die Bezeichnung Vater, immer schon in Berlin gelebt habe, und dass Fil, Ende vierzig, sieht aber jünger aus, sah immer schon jünger aus , vor Kurzem, ein paar Wochen , eine schwere Lungenkrankheit diagnostiziert worden sei, die ihn schlagartig habe

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