Der einsame Baum - Covenant 05
denkbare Gefahr die Elohim in dem Dämondim-Abkömmling erkannt haben mochten, wenn doch anscheinend sein einziger Zweck darin bestand, ihr und Covenant zu folgen. Aber sie blieb ratlos.
Während die Sternfahrers Schatz die offene See befuhr, fühlte sich Linden in wachsendem Maße wie verloren zwischen all den Dingen, die sie nicht begriff. Sie hatte sich die Bürde der Entscheidung aufgeladen; doch es mangelte ihr an den Erfahrungen, der Überzeugung und der Kraft – der Macht –, die Covenant dazu befähigt hatten, sie zu tragen. Sie spürte ihn ständig wie einen dumpfen Schmerz im Hintergrund ihres Bewußtseins, wie eine unbehandelte Wunde. Nur Lindens hartnäckige Treue zu sich selbst hielt sie davon zurück, sich in die Privatsphäre ihrer Kabine zu verdrücken – sich dort zu verstecken wie ein kleines Mädchen mit verschmutztem Kleid – und die Verantwortung anderen zufallen zu lassen.
Am Morgen des fünften Tages, nachdem die Sternfahrers Schatz aus der Raw- Schlucht entwichen war, erwachte Linden in einer Stimmung verstärkten Unbehagens, als wäre ihr Schlaf von Alpträumen heimgesucht worden, an die sie sich nicht entsinnen konnte. Am äußersten Rand ihrer Wahrnehmung störte eine unbestimmte Beunruhigung sie, zu weit abseits, um erfaßt oder verstanden werden zu können. Sie befürchtete unerfreuliche Neuigkeiten, als sie sich bei Cail nach Covenant erkundigte. Aber der Haruchai wußte von keiner Veränderung zu berichten. Sorgenvoll verließ Linden ihre Kabine, suchte das Achterdeck auf.
Während sie über das Deck ausschaute, nahm ihr Gefühl des Unbehagens weiter zu. Im Osten leuchtete die Sonne mit besonderer Helligkeit, als bestünde sie stolz auf eigener lichter Klarheit; dennoch schien die Luft so still zu sein, als habe man es mit einem bösen Omen zu tun. Trotzdem wirkte alles, als sei es in Ordnung. Windsbraut übte mit rauher Selbstsicherheit auf dem Achterkastell den Befehl aus. Überall an Bord widmeten sich Mitglieder der Besatzung rege ihren Tätigkeiten, um die Dromond gegen die Launen des Windes auf Kurs zu halten.
Die Erste, Blankehans und Seeträumer waren nirgends zu sehen. Pechnase jedoch befand sich nahe beim Besanmast an der Arbeit, rührte im Inhalt eines großen steinernen Bottichs. Er blickte auf, als sich Linden näherte, und fuhr merklich zusammen, als er sie sah. »Auserwählte«, sagte er, indem er sich sehr um Aufgeräumtheit bemühte, aber nur mit teilweisem Erfolg, »wüßte ich nicht über die Speisen Bescheid, welche du ebenso wie wir genießt, ich wollte wohl glauben, du hättest Übles verzehrt und dir sei unwohl. Es heißt, Sonne und Meer täten das ihre zu Gesundheit und Eßlust – und dennoch hast du das kränkliche Aussehen einer Siechen. Bist du unpäßlich?«
Linden schüttelte den Kopf. »Irgendwas ... ich weiß nicht, was es ist. Ich fühle irgendein Unheil kommen. Aber ich kann nicht sagen, was ...« Weil sie nach einer Möglichkeit suchte, um sich abzulenken, schaute sie in den Bottich. »Ist das wieder dein Pech? Wie machst du es?«
Daraufhin lachte Pechnase, und seine Heiterkeit klang jetzt natürlicher. »Ja, Auserwählte, fürwahr, das ist mein Pech. Das Gefäß ist aus Dolomit gefertigt, auf daß es nicht damit verschmilzt, anders als der Stein des Schiffs. Was jedoch die Herstellung des Pechs anbetrifft ... Ach, davon zu sprechen erbrächte nichts. Du bist weder Riesin noch Pechmeisterin. Und die Kraft des Pechmachens ersteht, wie jede andere, aus dem Wesen des Kundigen, der sie anwendet. Alle Macht ist ein Ausdruck ihres Besitzers. Sie hat keinen anderen Ursprung als das Leben selbst – und den Wunsch selbigen Lebens, sich Ausdruck zu verleihen. Doch es muß auch eine Ausdrucksweise geben. Ich vermag dir wenig mehr als das zu sagen, daß dieses Pech die bevorzugte Ausdrucksweise meiner Kraft ist. Das gesprochen, bist du durch meine Worte schwerlich klüger als zuvor.«
Linden zuckte über seine umständlichen Ausflüchte die Achseln. »Was du wirklich sagen willst«, meinte sie leise und nachdenklich, »ist doch, daß die Macht der wilden Magie aus Covenant selbst kommt, nicht seinem Ring, oder? Daß der Ring bloß ... bloß ihr äußerer Ausdruck ist?«
Pechnase nickte. »Fürwahr, das glaube ich. Das Mittel jedoch, das gilt's zu bedenken, beeinflußt die Natur dessen, dem man Ausdruck verleihen kann. Mit meinem Pech vermag ich gebrochenen Gliedmaßen keine Heilung zu bescheren, sowenig wie ein Heiler des Fleisches Stein so wie ich
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