Der einsame Baum - Covenant 05
die Dromond näher an die zerklüfteten, verhängnisvollen Klippen der Felsküste zu tragen.
Aber Blankehans besaß große Erfahrung und außerordentliche Schläue, was das Durchschauen des Gewirrs der Luftströme betraf, und schließlich fand er doch den Weg, der das Riesen-Schiff in die Sicherheit der offenen See hinausbeförderte. Indem sie sich den letzten Fallstricken der Elohim entwand, segelte die Sternfahrers Schatz nach Süden. Für den Rest der Nacht blieb die Küstenlandschaft backbords noch finster sichtbar. Am nächsten Morgen jedoch ließ Blankehans das Steuer um ein paar Strich nach Südwesten drehen, und die Landspitze begann im Meer zu versinken. Im Laufe des Nachmittags zeigte sich vorübergehend eine andere Landzunge. Danach jedoch gab es in keiner Richtung noch irgend etwas anderes zu sehen als den Anblick, wie der Sonnenschein in einem Brokatmuster über den weiten, grünen Ozean glitt.
Während sie durch die Raw- Schlucht und danach von der Raw- Mündung geflohen waren, hatten sich die Riesen mit aller Kraft gegen den Wind und die unbekannten Absichten der Elohim ins Zeug gelegt, in Befolgung der Befehle des Kapitäns ihre zur Handhabung des Schiffs erforderliche Arbeit unbewußt in gespanntem Schweigen verrichtet. Doch nun, da Blankehans verschnaufte und das Schiff zuversichtlich in einen makellosen schönen Abend schwamm, lockerte sich auch die Stimmung der Mannschaft wieder. In der abendlichen Dämmerung versammelten sich die Riesen, um die Geschichte der in Elemesnedene stattgefundenen Ereignisse zu hören, die Pechnase mit all der Leidenschaft und Überschwenglichkeit erzählte, wie die Riesen sie so schätzten. Und Blankehans beschrieb genau, was er über den Standort des Einholzbaumes erfahren hatte. Dank der unfehlbaren Sternbilder, die in Covenants Vision zu sehen gewesen waren und an denen sich die Suche nun orientieren konnte, rückte die Möglichkeit ihres Scheiterns mehr oder weniger in den Hintergrund. Langsam stellte sich an Bord der Sternfahrers Schatz ein Großteil der gewohnten guten Laune wieder ein. Linden war froh über diese Aufheiterung. Die Riesen hatten sie verdient, und Linden beobachtete sie mit dem selbstlosen Wohlwollen einer Ärztin. Aber sie teilte sie nicht mit ihnen. Covenants Zustand überwog den Drang zur Hoffnung, den sie gefühlsmäßig von den Riesen übernahm.
Die Haruchai mußten sich praktisch ununterbrochen um Covenant kümmern. Er blieb, wo und in welcher Haltung man ihn ließ. Im Stehen oder Sitzen, in Bewegung oder in Ruhe verblieb er in seiner Verfassung der Geistlosigkeit, bar jeglichen Willens, aller Absichten oder Wünsche. Nichts außer den dürftigsten Instinkten lebte noch in ihm. Wenn er gerade niemanden als Stütze zur Seite hatte, bewahrte er im Schlingern des Schiffs das Gleichgewicht; wenn man ihm Nahrung in den Mund schob, kaute und schluckte er. Aber nichts verringerte die bodenlose Kluft hinter seinem Blick. In unregelmäßigen Abständen sprach er so klar, als läse er ein an seine Stirn geschriebenes Schicksal ab. Doch er reagierte nicht, wenn man ihn anfaßte.
Zuletzt sah sich Linden veranlaßt, Brinn zu bitten, Covenant in seiner Kabine unterzubringen. Das ganze Elend seines Leids lastete uneingeschränkt auf ihren Schultern, und sie war noch nicht ausreichend darauf vorbereitet, diese Last zu tragen. Sie hatte sich die Überzeugung angeeignet, daß es schlecht war, von jemandem Besitz zu ergreifen – aber ihr fiel keine Methode ein, wie sich ihm helfen ließe, ohne etwas zu tun, das darauf hinauslief. Sie klammerte sich an die Hoffnung, Ruhe und Frieden könnten zu seiner Erholung führen. Aber sie stellte keinerlei Besserung fest. Nun, sie hatte sich geschworen, im Notfall nicht davor zurückzuschrecken, ihn zu heilen, ganz egal, um welchen Preis. Sie hatte sich diese Bürde nicht ausgesucht, sowenig, wie sie auf die Rolle der Sonnenkundigen versessen gewesen war; aber es widerstrebte ihr, sich zu drücken. Nach den Ereignissen in Elemesnedene fühlte sie sich jedoch bitterlich ausgelaugt. Noch immer konnte sie ihre Wut über die Art und Weise, wie man Covenant dort zu Schaden gebracht hatte, nicht verdrängen. Intuitiv ahnte sie, daß die Gemütslage, in der sie den Versuch unternahm, Covenants innere Leere zu beseitigen, von entscheidender Bedeutung sein mußte. Wenn sie in zorniger Stimmung in ihn eindrang, würde sie, war ihr Empfinden, mit Zorn empfangen werden; und Covenants Grimm besaß die Macht, die Sternfahrers
Weitere Kostenlose Bücher